Gefechte der Leidenschaft
ihrer Wege gehen und sich auf einen wohlverdienten Drink zu Alvarez begeben.
»Hier!«, rief Rio da Silva und winkte sie an den Tisch, an dem er mit Titi Rosiere saß. Er schubste mit dem Fuß einen Stuhl zu seiner Linken für Nicholas zurecht und zog einen weiteren für Caid heran. »Wir müssen uns anscheinend nach Vigneauds Befinden erkundigen.«
»Er wird wieder.«
»Die Geschichte ist demnach, wie immer, so gut wie möglich ausgegangen. Und Quentell hat sich also gedrückt, dieser Unglücksrabe. Ich vermute, sein Studio wird jetzt wohl zum Verkauf stehen.«
»Nein«, berichtigte Rosiere ihn, »es hat schon einen neuen Besitzer. Einen recht fähigen Engländer, heißt es. Sein Name ist Blackford, Gavin Blackford.«
»Von dem Gentleman habe ich schon gehört. Ist er nicht letzte Woche mit dem Dampfer aus Liverpool gekommen?«
»Der Mann verlierte wirklich keine Zeit«, bemerkte Nicholas beiläufig, während er dem Kellner winkte.
»Er hat ein paar andere ausgestochen, die schon die ganze Saison darauf warteten, dass ein Lokal frei wird. Doch wenn er wirklich so teuflisch geschickt mit der Klinge ist, wie man sagt, wird wohl keiner allzu scharf darauf sein, ihm das Studio streitig zu machen.«
»Das meinst du doch wohl nicht im Ernst«, entgegnete Caid mit zusammengezogenen Brauen.
»Nein, eigentlich nicht. Angeblich war Madame Tallant, der das Haus gehört, ganz betört von seinem Auftreten und seinen geschliffenen Manieren.« Rosiere zuckte die Achseln. »Er hat das Gesicht eines gefallenen Engels. So drückte sich zumindest meine teure Gemahlin aus, die ihn zufällig auf einem Bankett kennen lernte.«
»Dann sollten wir uns vielleicht davor hüten, ihn zum Turnier zuzulassen«, schlug Nicholas ohne große Besorgnis vor.
»Er würde wohl gar nicht teilnehmen. Ich habe gehört, er verachtet solche Auftritte.«
Caid verzog abfällig das Gesicht. »Damit will er vermutlich zeigen, dass er es nicht nötig hat, sich die Brieftasche zu füllen, was?«
»Seine Familie soll angeblich alt und ziemlich einflussreich sein. Doch er lehnt es ab, den Namen seines Vaters zu verwenden. Er ist ein jüngerer Sohn und daher gezwungen, für sich selbst zu sorgen. Wenn er nicht an dem Wettkampf teilnehmen will, dann wahrscheinlich wegen seiner Prinzipien.«
»Tolle Sache, diese Prinzipien«, warf Nicholas ein, »wenn man sie sich leisten kann.«
»Kurz gesagt«, fuhr Rio fort, während er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und in die Runde blickte, »ihr solltet gut aufpassen, sonst spielt er euch noch alle an die Wand.«
»Dich denn nicht?«
»Oh, ich bin dann schon weit weg in Spanien, wo ich diesem englischen Fechter wohl nie über den Weg laufen werde.«
Caid blickte ihn mit gerunzelter Stirn an. »Hoffen wir, dass wir Übrigen ebenso viel Glück haben.«
»Unwahrscheinlich«, entgegnete Rio und seine Stimme mit dem leichten spanischen Akzent klang ein wenig gedehnt vor Erheiterung. »Er hat die Bekanntschaft meines zukünftigen Schwagers gemacht und Denys hat ihn auf der Stelle eingeladen, ihn morgen Abend zu Madame Moisants literarischem Salon zu begleiten.«
Caid stieß einen Fluch aus. Das hatte ihm gerade noch gefehlt - ein weiterer Mann in Lisettes Stadthaus und noch dazu ein Engländer. Er war hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, ihr literarischer Salon möge ein Fehlschlag werden, und der Befürchtung, dass es wirklich so kommen könnte. Er wünschte ihr wahrhaftig keine Enttäuschung, doch seiner Meinung nach konnte sie schwerlich ihre Stellung in der guten Gesellschaft behaupten, wenn in ihrem Haus jeder eitle Laffe und gerissene Blender der Stadt ein und aus ging, ganz zu schweigen von einem ganzen Rudel von Fechtern. Aber letztlich vermochte er wenig dagegen zu tun, außer an ihrer Tür Wache zu stehen und alle abzuweisen, die dort nicht hingehörten.
Als sich Caid am Freitagabend auf dem Weg zu Lisettes Haus machte, hoffte er inständig, ein kümmerliches Grüppchen vorzufinden, dessen Gespräche nur zäh dahintröpfelten. Stattdessen schallten ihm schon am Fuß der Treppe lautes Reden und Gelächter entgegen. Nachdem Felix ihm an der Tür Hut und Stock abgenommen hatte, gelang es Caid kaum, sich in den Salon zu drängen, geschweige denn einen Blick auf die Gastgeberin zu werfen, da sich eine große Zahl von Männern um ihren Sessel geschart hatte.
Das war ja noch schlimmer als in Maurelies Salon, wo zumindest das Gleichgewicht zwischen Herren und Damen, Jung und Alt, Abenteurern und
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