Gefechte der Leidenschaft
Valliers Antwort.
»Es geht nicht um Größe, Monsieur, sondern um ein Ziel. England braucht Irland auch nicht und gibt es trotzdem nicht auf.«
»Eine Frage der Tradition, vermute ich.«
»Und das ist hier nicht der Fall, meinen Sie? Vielleicht haben Sie Recht, aber manche glauben, dass es uns vom Schicksal bestimmt ist, über den ganzen Kontinent, von Küste zu Küste, zu herrschen.«
»Das Schicksal«, wiederholte Blackford versonnen. »Dagegen darf man nicht ankämpfen oder man wird unweigerlich scheitern.«
Vallier runzelte die Stirn, als suche er nach verborgener Ironie in den Worten des anderen. Da entschloss sich Lisette einzugreifen. »Was führt Sie denn eigentlich nach New Orleans, Monsieur Blackford? Und werden Sie lange bei uns bleiben?«
»Ich bin wegen einer kleinen geschäftlichen Angelegenheit hier«, antwortete er, »und wie lange ich hier bleibe, weiß ich noch nicht.«
»Aber ich denke, doch auf jeden Fall bis zum Ende der Saison, nicht wahr?«, sagte Nicholas, legte die Ellbogen aut die Armlehne und blickte Blackford über die Spitzen der aufgestellten Finger hinweg an. »Sonst hätten Sie wohl kaum ein Studio in der Passage de la Bourse gemietet.«
»Sie wissen viel über mich, Monsieur«, bemerkte der Engländer mit fragendem Unterton.
Nicholas lächelte. »Ich bin zufällig Ihr Nachbar.«
»Ach so, das ist ja interessant.«
»Sie sagen es.«
So tauschten sie Höflichkeiten aus, ohne etwas Wichtiges mitzuteilen, und das war wohl genau ihre Absicht, dachte Caid. Die Geheimniskrämerei warf eher noch mehr Fragen auf, auf die so mancher in dieser neugierigen Stadt wohl gern eine Antwort erhalten hätte. Auch Caid wünschte sich durchaus, mehr zu erfahren.
»Ich glaube, Sie haben uns ein Gedicht versprochen, Monsieur Vallier«, wechselte Lisette das Thema und ihre Stimme klang ein klein wenig zu bemüht.
Denys Vallier stieß ein kurzes, verlegenes Lachen aus. »Der Gedanke, es vor Publikum vortragen zu müssen, hat meine Muse so sehr verstört, dass sie mich leider verließ. Dürfte Francis stattdessen sein Gedicht vorlesen?«
»Monsieur?«, wandte sie sich fragend an den jungen Mann. »Würden Sie uns wohl die Ehre erweisen? «
Dorelles Gesicht nahm einen dunkelroten Ton an, doch er vergaß seine angeborene Höflichkeit nicht. »Ich habe zwar ein Gedicht erwähnt, Madame, aber es ist wirklich nicht der Rede wert. Vielleicht ein andermal.«
»Unsinn«, widersprach sie und bedachte ihn mit ihrem bezwingendsten Lächeln. »Jeder Dichter braucht ein Publikum und Sie sind doch hier unter Freunden. Also bitte, mir zuliebe, ja?«
Offensichtlich waren die dichterischen Versuche des armen Burschen ausschließlich für die Ohren der Dame bestimmt gewesen. Caid beobachtete ihn mit tiefem Mitgefühl, wobei er sich fragte, ob er selbst jemals so unreif und zart besaitet gewesen war und so verzweifelt bemüht, einer Dame zu gefallen. Er konnte sich nicht entsinnen, aber er war ja schließlich auch kein reicher, verwöhnter Erbe gewesen. Es drängte ihn, dem Jungen in seiner Not beizustehen, doch es war schon zu spät. Dorelle zog ein Blatt Papier aus der Rocktasche und begann mit seinem Vortrag.
Es war gar nicht einmal so schlecht — eine Ballade über einen Mann, durch eine arrangierte Ehe an eine Frau gebunden, der der Sinn mehr nach Vergnügungen und schönen Kleidern stand als nach ihm. Trotzdem liebte er sie insgeheim inbrünstig und nahm daher auch ihre Tändeleien mit anderen Männern in Kauf. Wie bei dergleichen Werken der Dichtkunst üblich, hatte auch dieses ein tragisches und überaus dramatisches Ende, was vor allem romantische, empfindsame Seelen immer sehr beeindruckte. Der Vortrag erntete freundlichen Applaus, woraufhin Dorelles olivfarbenes Gesicht vor Freude errötete. Eine Zeit lang besprachen die Zuhörer das Gedicht noch angeregt und zitierten die eine oder andere gelungenere Zeile, bis es schließlich keinen Gesprächsstoff mehr hergab.
»Ich habe vor, eine Kutsche zu kaufen«, verkündete Lisette. »Vielleicht könnte mir einer der Herren einen Rat geben. Was für einen Wagen sollte ich nehmen, wenn ich selbst kutschieren will ? «
»Wie verwegen von Ihnen«, bemerkte Maurelle, die bis zu diesem Augenblick stumm und träge in ihrem Sessel gelehnt hatte.
»Das finde ich eigentlich nicht. In anderen Städten kutschieren viele Damen selbst«, kam die kühle Antwort von Lisette.
»Aber nicht in New Orleans.«
»Dann werde ich eben mit gutem Beispiel vorangehen.«
»Es
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