Gefechte der Leidenschaft
Langsam ballte er im Dunkeln die Fäuste, doch seine Stimme klang sachlich. »Wohl kaum.«
Maurelle begleitete ihn noch bis an die Tür zur Bibliothek, dann wandte sie sich ihm zu. »Warum, mon ami? Warum lässt du dich da hineinziehen? Warum hast du Lisette Moisant hierher gebracht, statt ihren Angehörigen einfach mitzuteilen, wo sie war?«
Er legte seinen ganzen Charme in ein aufgesetztes Lächeln. »Zweifelst du etwa an meinen Absichten?«
»Hast du denn welche?« Sie blickte ihn ernst an.
»Nicht solche, wie du denkst. Wie könnte ich, wo ich die Dame doch kaum kenne?«
»Aber vielleicht andere Absichten? In diesem Fall würde ich dir raten, noch mal darüber nachzudenken. Es würde mich stören, wenn du mein Haus dazu missbrauchtest, ein armes Opfer für irgendeine krumme Sache gefangen zu halten.«
Caid fühlte Zorn in sich aufwallen und entgegnete mit schnarrendem irischem Akzent: »Glaubst du wirklich, ich hätte das arme Mädchen aus reiner Bosheit hergebracht oder ich wolle sie als Waffe in einer Blutrachegeschichte benutzen? «
»Ich habe keine Ahnung. Ich vermute, diese Frage werden sich viele stellen, einschließlich Monsieur Moisant.«
»Mit dem Mann habe ich keinen Streit. Sein Sohn hat mir Genugtuung gegeben für das, was er meiner Schwester angetan hat. Das reicht.«
»Ich bin nicht sicher, ob Monsieur Moisant das ebenso sieht. Er hasst dich mit geradezu höllischer Inbrunst und diese Angelegenheit wird nur Öl ins Feuer gießen. Lisette Moisant hat es nicht verdient, in euren Streit hineingezogen zu werden.«
»Ich hoffe, das werde ich zu verhindern wissen.«
»Das hoffe ich auch, aber Monsieur Moisant hat da wenig Skrupel. Er zankt sich mit jedem herum. Und denk daran, für dich mag Eugene ein Ungeheuer gewesen sein, doch für Monsieur Moisant war er der geliebte Sohn und Erbe. Er sah in ihm einfach einen Lebemann, der im Umgang mit Frauen nicht übler war als viele andere. Er war der letzte aus dem Geschlecht der Moisants, für seinen Vater die Hoffnung auf Unsterblichkeit, und nun hat er ihn verloren. Henri Moisant wird beinahe alles tun, um seinen Tod zu rächen.«
»Sein Sohn hat Brona zu Grunde gerichtet. Wäre Moisant ein bisschen weniger stolz auf seinen Stammbaum gewesen und hätte sich bereit erklärt, ein irisches Mädchen in seine Familie aufzunehmen, hätte es keinen Grund für Rache gegeben.«
»Du weißt, dass das unmöglich war. Für ihn war sie keine Frau aus guter Familie, sondern eben nur ...«
»Ein Straßenmädchen, die Tochter eines Kleinbauern, die in einem Haus neben einem Kuhstall zur Welt kam und leider in die hiesigen Einwandererslums geriet, die die Leute Irish Channel nennen, nicht wahr?«, unterbrach er sie. »Oder willst du andeuten, dass sie eine Hure war, weil sie mit einem Mann zusammenlebte, der sie nicht zu heiraten gedachte?«
»So etwas würde ich nie sagen, c her .«
»Aber denken.« Caid wandte kurz den Blick ab. »Nicht, dass es etwas ausmachen würde.«
Maurelle berührte leicht seinen Arm und ihre Stimme war dunkel vor Trauer. »Aber es macht etwas aus, c her, zumindest in der engen, kleinen Welt, in der wir leben. Es macht auch dir etwas aus, da kannst du sagen, was du willst. Sollte Moisant dich jemals verletzen wollen, so wird er hier deinen wunden Punkt finden, in dieser übergroßen Fürsorglichkeit und deinem ungeheuren Stolz.«
»Mein Stolz«, entgegnete er mit Nachdruck, »gründet sich nicht darauf, wo ich geboren bin oder wie ich lebe.«
»Nein, er beruht darauf, was du jetzt bist, nicht wahr? Ein maitre d’armes, der sich gegen jedermann wehren kann, todbringend für seine Feinde und die Feinde derer, die er liebt. Aber wenn du deinen Degen einsteckst, Caid, was bist du dann noch?«
Er zuckte mit einer Schulter. »Ein Mann wie alle anderen.«
»Denk daran, wenn du jemals unbewaffnet überrascht wirst.«
Maurelles Kaftan rauschte wie ein seidener Wirbel, als sie sich umdrehte und ihn stehen ließ. Caid lauschte ihren Schritten nach, bis ihr Klang sich in der Galerie verlor. Dann betrat er die Bibliothek.
Maurelles verstorbener Mann war ein ziemlicher Bücherwurm gewesen, ein spindelbeiniger alter Narr, der sich nur um seine Sammlung verstaubter Folianten kümmerte und um die Havannazigarren, von denen er ständig husten musste, so behauptete zumindest Maurelle. Hier in diesem kleinen Zimmer, wo der Duft nach Ledereinbänden und Tabak in der Luft hing, war sein Geist noch gegenwärtig. Caid trat ans Fenster, hob die
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