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Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Titel: Gefesselt in Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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zwei und zwei zusammenzuzählen.« Er beugte sich vor. »Hör zu, ich will hier keine Szene. Deswegen bin ich nicht gekommen. Ich bin nur gekommen, um dich zu holen und dich und Caroline wieder nach Hause zu bringen, wo ihr hingehört.«
    Der Kaffee begann zu sprudeln.
    »Deine Mutter war sehr erleichtert, als ich sie angerufen habe«, fuhr er fort. »Ich habe ihr gestern gesagt, daß ich dich nach Hause holen würde, und sie war sehr froh.«
    Ich beobachtete, wie der Kaffee in der Glashaube auf der Metallkanne blubberte.
    »Caroline geht es gut«, sagte ich. »Sie hat kein Fieber mehr.«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie hätte nie Fieber bekommen, wenn du nicht so dämlich gewesen wärst, hier heraufzufahren«, sagte er mit plötzlicher Heftigkeit. Ich erstarrte. »Die Arzthelferin hat mir gesagt, es sei lebensbedrohlich gewesen.«
    Ich rührte mich nicht.
    Er wird gesehen haben, daß er mir Angst gemacht hatte. Er breitete beide Hände aus. »Aber darüber wollen wir jetzt nicht reden«, sagte er in versöhnlicherem Ton. »Das liegt hinter uns. Dieser ganze Unsinn liegt hinter uns.«
    Ich hätte gern gewußt, was er damit meinte – meine Flucht oder unser Zusammenleben wie es vor meiner Flucht gewesen war.
    »Hör zu, ich geh in eine Therapie, wenn du das willst«, sagte er, meine Frage beantwortend. »Es wird nie wieder vorkommen. Okay, ich war im Unrecht. Du mußtest gehen. Aber das liegt jetzt alles hinter uns. Wir können wieder eine Familie sein. Caroline braucht einen Vater.«
    Ich schaltete das Gas unter der Kanne aus. Ich trug sie zur Arbeitsplatte und goß Kaffee in einen Becher. Ich trug den Becher zum Tisch. Ich stellte ihn Harrold hin. Er hob den Kopf, sah mich an und nahm meine Hände.
    Kann sein, daß ich zurückgewichen bin. Ich wollte ihm meine Hand entziehen, aber er hielt sie fest. Er begann, meine Finger zu kneten.
    »Du siehst gut aus«, sagte er leise.
    Mein Gesicht trug immer noch schwache Spuren der Verletzungen, aber ich wußte, daß er die einfach übersehen würde.
    »Setz dich«, sagte er.
    Ich setzte mich auf einen Stuhl an der anderen Tischseite. Er ließ meine Hand los.
    »Wie lange brauchst du zum Packen?« Er hatte sich offensichtlich seit zwei oder drei Tagen nicht mehr rasiert. »Ich denke, es ist das Beste, wenn wir hier so bald wie möglich verschwinden. Wir können vielleicht eine Stunde fahren und uns dann ein Motel nehmen. Ich glaube nicht, daß ich es bis nach Hause schaffe, wenn ich nicht schlafe.«
    »Was macht die Zeitschrift?« fragte ich vorsichtig.
    Er rieb sich die Augen. Schaute weg. »Ach, du weißt ja, wie immer«, antwortete er. »Ich hab mir ein paar Tage freigenommen.«
    Er strich sich mit der Hand über das Gesicht. Ich roch den Alkohol in seinem Atem. Er trank einen Schluck Kaffee und zuckte zusammen, als er sich die Zunge verbrannte. Er blies auf den Kaffee und sah mich an.
    »Also komm, fahren wir«, sagte er. »Soll ich dir beim Packen helfen?«
    Ich schob meine Hände in die Taschen der Wolljacke und zog sie vor mir zusammen. Ich schlug die Beine übereinander und sah auf meine Knie hinunter. Um uns herum war Stille und doch überhaupt keine Stille. Der Wind rüttelte an den Fenstern, blies durch die ruhenden Strandrosen draußen. Der Wasserhahn tropfte. Hinter mir summte der Kühlschrank.
    »Ich fahre nicht«, sagte ich leise.
    Er stellte sehr langsam seinen Becher nieder.
    »Du kommst nicht mit?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich komme nicht mit«, sagte ich. Ich saß ganz still. Ich wartete auf die Reaktion. Instinktiv spannte ich mich am ganzen Körper an. Vielleicht, um seine laute Stimme abzuwehren, vielleicht sogar einen Schlag.
    »Gibt’s hier was zu essen?« fragte er.
    »Was?« Ich glaubte, ihn nicht recht gehört zu haben.
    »Zu essen«, wiederholte er. »Ich hab Hunger. Hast du was zu essen da?«
    Ich war verwirrt und fühlte mich überrumpelt. »Was zu essen«, sagte ich langsam. Ich überlegte. »Ja«, sagte ich schließlich. »Im Kühlschrank steht was.«
    Er stand auf und ging zum Kühlschrank. Einen Moment blieb er bei geöffneter Tür stehen, inspizierte im Licht der Innenbeleuchtung die Vorräte und nahm schließlich eine Schüssel heraus. Er hatte immer noch seinen dunkelblauen Mantel an. War das nun ein taktisches Manöver, oder war er einfach hungrig? War es möglich, daß Harrold sich während meiner Abwesenheit geändert hatte?
    »Was ist das?« fragte er.
    »So eine Art Makkaroniauflauf mit Käse«, antwortete ich.
    »Gut,

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