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Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Titel: Gefesselt in Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Gruß.
    Ich sah, wie Jack einen kurzen Blick zum Fenster hinaus auf seinen Pick-up warf. Er fragte sich zweifellos, ob ich Rebecca gesehen hatte.
    »Marys Baby war neulich ziemlich krank«, sagte er zu Emily. Dann wandte er sich mir zu. »Aber jetzt geht’s ihr besser?«
    Ich nickte.
    Die Regale rundherum und die Neonlichter über mir begannen sich zu drehen. Es war eine Reprise jenes ersten abends im Laden, nur war jetzt Jack da. Ich hielt mich mit meinem Blick an seinem Gesicht fest, als sich die Welt zu drehen begann, und wurde mir bewußt, daß ich schon viel länger hier stand, als normal gewesen wäre. Mit einer wie mir schien ungeheuren Willensanstrengung zwang ich mich, weiterzugehen und wie nebenbei zu sagen: »Ich brauche Milch und verschiedene andere Dinge …«
    Ich wartete hinten im Laden, bis ich das Bimmeln hörte. Als ich zur Theke zurückkam, sagte Everett: »Julia hat mir erzählt, daß die Kleine krank war. Aber sie scheint jetzt wieder in Ordnung zu sein.«
    Er tippte meine Einkäufe ein. Ich hatte keine Ahnung, was ich gekauft hatte. Draußen hörte ich den Wagen starten, das vertraute Motorengeräusch.
    »Rebecca geht’s schlecht«, bemerkte Everett mit einer kurzen Kopfbewegung zur Straße hin. »Jack muß sich sehr um sie kümmern.«
    Als ich in dieser Nacht im Bett lag, hörte ich unten auf der Straße Motorengeräusch. Das Zimmer schien dunkler als sonst, und ich dachte, er ist früher dran heute. Dies war unser letzter gemeinsamer Morgen, und er war wie ich ungeduldig gewesen. Vielleicht hatte er seiner Frau gesagt, daß er früher losfahren würde, weil er noch eine Menge zu tun hätte, bevor er das Boot aus dem Wasser holen könne.
    Ich hörte seine Schritte auf dem Linoleumboden in der Küche. Er kam nicht gleich die Treppe herauf, wie ich gedacht hatte, sondern schien sich erst an der Spüle ein Glas Wasser einlaufen zu lassen. Dann hörte ich ihn die Tür zu Carolines Zimmer öffnen. Natürlich, dachte ich, er sieht nach dem Kind. Er hat sich Sorgen um sie gemacht.
    Dann endlich hörte ich seine Schritte auf der Treppe. Ich setzte mich im Bett auf. Er öffnete die Tür.
    »Jack!« sagte ich glücklich.
    Groß und dunkel trat er ins Zimmer und blieb vor dem Bett stehen.
    Es war nicht Jack.

15. Januar 1971

Everett Shedd
    Tja, Sie fragen mich jetzt, ob ich das mit Mary und Jack vor dieser furchtbaren Geschichte draußen am Kap gewußt hab. Die Frage ist schwer zu beantworten. Ich weiß, daß Julia und ich uns lang drüber unterhalten haben, aber ob das vor der Schießerei war oder hinterher, kann ich jetzt nicht mehr mit Sicherheit sagen. Mit dem Gedächtnis ist das so eine Sache. Gerade in diesem Fall: Eines weiß ich nämlich mit Sicherheit, als Julia zu mir mal was über Mary und Jack gesagt hat, hab ich bei mir gedacht, daß ich so was schon geahnt hatte. Das weiß ich noch genau.
    Sie war kurz vor dem großen Knall noch bei mir im Laden. Jack war auch hier, mit Emily, und die beiden, ich mein, Mary und Jack, haben ein bißchen miteinander geredet, und ich glaub, schon da hab ich das Gefühl gehabt, daß die beiden sich besser kennen. Ich hab natürlich gewußt, daß er ihr an dem Morgen geholfen hat, als die Kleine plötzlich krank geworden ist. Wissen Sie eigentlich davon? Das ist wichtig, nur deshalb ist sie nämlich gefunden worden.
    Soviel ich weiß, hat die Kleine am Montag morgen Fieber gekriegt, und dann ist Jack vorbeigekommen – wer weiß, vielleicht war er auch schon da – und hat sie mit dem Kind nach Machias in die Klinik gefahren. Dr. Posner, das ist der junge Arzt aus Massachusetts, der die Praxis übernommen hat, als Doc Chavenage sich zur Ruhe gesetzt hat, der hat sich die Kleine angeschaut, und weil sie gegen irgendein Medikament allergisch war, hat er nach New York runterrufen müssen, um sich bei dem dortigen Kinderarzt zu erkundigen. Ich vermute, er mußte seinen Namen und weiß der Kuckuck was sonst noch angeben, und der Ehemann hatte schon mit einer Arzthelferin in der Praxis da Kontakt aufgenommen und wegen Marys Verschwinden Alarm geschlagen. Jedenfalls hat’s nicht lang gedauert, bis hier der Privatdetektiv aufgekreuzt ist und rumgeschnüffelt hat.
    Ruckzuck ist das gegangen. Am Dienstag abend, ich wollt grade den Laden schließen und zum Abendessen gehen, kommt der Bursche hier hereinmarschiert. Er ist mir allerdings schon vorher aufgefallen, als er noch draußen war, er hatte nämlich so glänzende schwarze Schuhe an und ist auf der Treppe

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