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Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Titel: Gefesselt in Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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und überlegen zu können. In der Besteckschublade lag ein großes Küchenmesser. Vielleicht würde es mir gelingen, irgendwie an es heranzukommen. Aber was würde mir das helfen? Was, in Gottes Namen, konnte ich mit einem Messer ausrichten?
    Ich zog meine Arme aus der Wolljacke. Er stand mir gegenüber und beobachtete mich. Er war ungeduldig, sichtlich gereizt über meine Langsamkeit. Ich legte die Strickjacke aufs Sofa, dachte sogar daran, sie zu falten, kreuzte die Arme, um mir den Pullover über den Kopf zu ziehen. Ich hatte den Pullover über meinem Gesicht, als er mich beim Arm packte und mich zu Boden schleuderte.
    »Du verdammtes Luder!« schrie er.
    Während er mich festhielt, öffnete er mit der freien Hand meine Jeans, zerrte den Reißverschluß auf. Ich wehrte mich nicht. Es bedeutete mir nichts, von ihm vergewaltigt zu werden. Das hatte ich schon früher überlebt, auch wenn es weh tat. Wie ein Rasender fiel er über mich her und hielt die ganze Zeit die Gabel gegen meine Kehle gedrückt. Erst gegen Ende, als er in wütender Ekstase die Gabel zu fest in meine Haut drückte, und ich fürchtete, er würde sie durchbohren, versuchte ich, meine Schultern zu heben und ihn abzuschütteln. Aber er richtete sich über mir auf und versetzte mir mit der freien Hand einen Schlag an den Kopf.
    Ich war nur Sekunden bewußtlos, glaube ich, aber als ich zu mir kam, blieb ich reglos liegen und hielt die Augen geschlossen. Ich wollte ihn glauben machen, ich wäre ohnmächtig. Ich hatte noch keinen Plan, aber ich dachte, wenn er mich für bewußtlos hielt, würde er mich loslassen.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so gelegen habe. Eine Minute, fünf, zehn? Zuerst spürte ich den Druck seines Gewichts auf mir, dann schien er zur Seite zu rutschen und sich auf seinen Rücken zu wälzen.
    Ich rührte mich nicht, ließ mich von Kopf bis Fuß erschlaffen. Darin wenigstens war ich gut.
    Ich horchte auf Geräusche aus Carolines Zimmer, fürchtete, sie könnte wach geworden sein, aber ich hörte nichts. In der Ferne bellte ein Hund.
    Nach einer Weile merkte ich, daß Harrold aufstand. Ich hörte, wie er seine Jeans anzog. Er entfernte sich von mir, aber ich machte die Augen nicht auf. Irgend etwas klirrte auf dem Tisch. Dann hatte ich den Eindruck, daß er die Tür aufgemacht hatte und gegangen war.
    Ich lag ganz still und lauschte. Ich überlegte. Er hatte seinen Mantel nicht mitgenommen. Das hieß, daß er wiederkommen würde. Es hatte keinen Sinn, jetzt aufzuspringen, Caroline zu packen und die Flucht zu versuchen. Ich würde nicht einmal zur Tür hinauskommen.
    Ich achtete darauf, meine Lage auf dem Boden ja nicht zu verändern, obwohl ich mich nackt und bloß fühlte – meine Jeans war bis unter die Knie hinuntergeschoben – und mir vorkam, als wäre ein Scheinwerfer auf mich gerichtet.
    Die Tür wurde geöffnet, er kam wieder herein. Ich spürte seinen Blick auf mir. Ich hörte ihn zum Sofa gehen. Er setzte sich. Ich hörte das Glucksen einer Flüssigkeit in einer Flasche, hörte ihn trinken.
    Kümmerte es ihn, daß ich noch nicht zu mir gekommen war? Wenn ja, so merkte ich nichts davon. Er beugte sich nicht über mich, versuchte nicht meine Jeans hochzuziehen, sprach mich nicht an, klopfte mir nicht auf die Wange. Er saß nur da und trank, rhythmisch beinahe, mit einem Abstand von vielleicht ein oder zwei Minuten zwischen jedem Schluck. Ich wußte, daß er Whisky trank. Ich konnte ihn riechen. Und außerdem wußte ich, daß er nie Gin pur trinken würde.
    Ich weiß nicht, wie lange ich so gelegen habe. Zwanzig Minuten, fünfundvierzig? Manchmal bildete ich mir ein, er warte nur auf ein Zucken von mir, auf die kleinste Bewegung, um sich erneut auf mich stürzen zu können. Aber das war wahrscheinlich nur Einbildung. Tatsächlich betrank er sich bis zur Besinnungslosigkeit.
    Endlich hörte ich das Geräusch, auf das ich gewartet hatte, ganz schwach zuerst, dann lauter, tiefer. Er schnarchte.
    Ich bewegte vorsichtig einen Fuß, dann eine Hand. Schließlich nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und drehte mich auf die Seite, weg von ihm. Er schnarchte weiter.
    Ich setzte mich auf, drehte den Kopf, wagte es, ihn anzusehen. Mit offenem Mund hing er im Sofa, den Kopf schräg an der Rückenlehne. Die Flasche lag auf seinem Schoß. Etwas Whisky war aus der Flasche heraus auf seine Hose gelaufen.
    Ich zog die Jeans hoch und machte den Reißverschluß zu. Ich stand auf. Wieviel Zeit hatte ich? Eine Minute? Eine Stunde?
    Ich dachte,

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