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Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Titel: Gefesselt in Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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Verkrampfungen in meinen Schultern zu gewaltsam. Ich riß mich plötzlich los und sprang auf. Gerade wollte ich sagen, ich fühle mich nicht wohl, ich möchte lieber allein sein, als er mich beim Handgelenk packte und festhielt.
    Ich kann mich nicht an alles erinnern, was dann geschah – das Zimmer schien sich sehr schnell um mich zu drehen. Er drückte mich an den Kühlschrank, der Griff bohrte sich in meinen Rücken. Er besaß eine ungeheure Kraft. Ich hatte bis zu diesem Moment nur eine Ahnung davon bekommen. Er schob meinen Rock bis zur Taille hoch. Ich wollte ihn wegstoßen, aber er riß meinen Arm hoch und schlug ihn krachend gegen das Metall. Ein stechender Schmerz durchzuckte mich, ich dachte, er hätte mir das Handgelenk gebrochen. Da bekam ich Angst. Ich wußte, daß er mir weh tun konnte, er tat mir schon jetzt weh. Er war ein großer, kräftiger Mann – hab ich das vorher schon einmal erwähnt? –, und all meine Gegenwehr half mir nichts.
    Schließlich gab ich allen Widerstand auf und ergab mich, wurde zur passiven Mitspielerin. Und als es vorbei war, und er mich umschlungen hielt, und ich nicht bereit war, über die Bedeutung dieser wenigen Momente nachzudenken, wollte mir scheinen, als wären Liebe, Sex und Gewalt vielleicht lediglich eine Frage der Betrachtungsweise. Denn was war, in einem bestimmten Licht betrachtet, an dem Geschehenen soviel anders als an allem, was vorangegangen war?
    Er trug mich zum Bett und packte mich in eine Wolldecke. Er legte mir Eiswürfel auf das Handgelenk – es war ein Bluterguß, kein Bruch. Er drückte seinen Mund auf meine Hand und sagte, es täte ihm leid, aber sonderbarerweise hatte ich den Eindruck, daß sich das nur auf das verletzte Handgelenk bezog, nicht auf das, was er getan hatte.
    Er kochte etwas für uns, und wir aßen es auf dem Bett. Er schien mir dankbar zu sein, und ich hatte das seltsame Gefühl, daß wir einander noch näher gekommen waren, eine noch stärkere Intimität uns verband, als verstrickten wir uns um so mehr miteinander, je höher das Risiko war, das wir eingingen, je mehr Geheimnisse wir miteinander teilten, je weiter wir die Grenzen des Erlaubten ausdehnten.
    In der Nacht bekam ich Fieber, und es ist möglich, daß ich den Verlauf der Dinge durcheinanderbringe, aber ich weiß, daß er damals den Artikel für mich schrieb. Und ich weiß, daß er mich damals bat, ihn zu heiraten.
    In den Monaten und Jahren, die folgten, ging das häufig so: Er nahm mir etwas weg oder verletzte mich, und bot mir dann dafür etwas von größerer Bedeutung an. Und wenn ich das Angebot annahm – ein Versprechen oder eine Verpflichtung oder auch einen Traum –, hieß das, daß ich ihm verziehen hatte.
    Er sprach nie, weder damals noch später, von Vergewaltigung , und ich selbst brachte das Wort nicht über die Lippen.
    Ich sagte, ja, ich würde ihn heiraten. Er reiste nach Prag, um eine Reportage zu machen. Ich hatte seine Wohnung für mich allein. Ich hatte die Grippe. Manchmal hatte ich Fieber. Ich ging nicht zur Arbeit.
    Da schon hatte ich das Gefühl, süchtig zu sein, oder besessen. Ich pflegte allein zu trinken, wie wir es sonst gemeinsam taten, weil das ein Band war, das uns miteinander verknüpfte. Ich ging von Fenster zu Fenster und starrte hinaus auf den Verkehr und fremde Gebäude, ich saß stundenlang da und dachte nur an ihn und an uns. Ich streifte durch die Räume und berührte die Dinge, die ihm gehörten, sah seine Taschen nach Zetteln durch, die mir mehr über ihn verraten würden. Ich las die Hefte mit seinen Aufzeichnungen, die auf seinem Schreibtisch lagen, versuchte zu denken wie er.
    Aber während ich das alles tat, wußte ich, daß wir nicht wie andere waren. Oder wenn doch, so war dies eine Seite der Liebe, von der ich noch nie gehört hatte. Harrold hatte sich ein Bild von mir gemacht, hatte dieses Bild schon am ersten Tag unseres Kennenlernens gesehen, war gnadenlos in seiner Verfolgung dieses Bildes. Ich – die Person, die ich wirklich war oder hätte sein können – war nichts weiter als ein Klumpen Knetmasse zum Spielen. Er sah mich als Starjournalistin, ihm gleich, als seinen Schützling und seinen Besitz. Vielleicht vereinfache ich hier ein bißchen zu sehr, aber ich glaube es nicht. In Schwierigkeiten geriet ich nur, wenn ich dem Bild, das er hatte, nicht entsprach – wenn ich auf eine Art sprach oder handelte oder empfand, die nicht in sein Konzept paßte.
    Lag darin also mein Versagen? Daß ich es nicht fertigbrachte,

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