Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)
und dunkel und gutaussehend, erzählte ich, und wenn sie ihn kennenlernte, würde sie ihn bestimmt charmant finden.
Ich wußte, der Brief würde ihr gefallen.
Alles, was ich geschrieben hatte, war wahr, aber es sagte nichts über die Wahrheit.
Die Wahrheit war, daß wir tranken. Wir tranken in den Bars, von Menschen umgeben. Und wir tranken zu Hause, die geöffnete Flasche und die Gläser neben dem Bett. Wein. Oder Champagner, wir tranken oft Champagner. Damals tranken wir, um zu feiern: Jeder Abend war ein Fest. Die leeren Räume in seiner Wohnung waren von Kerzen erleuchtet, und morgens fand ich unsere Kleider im Flur, dünne Gläser neben der Badewanne. Ich kochte in einem Bademantel, den er mir schenkte. Er war aus dunkelblauem Frottee, zu groß, ich kam mir klein und verloren darin vor. In der Küche stand ein runder Tisch – ein schmiedeeiserner Tisch mit einer glatten Glasplatte. Um ihn herum standen dunkelgrüne Metallstühle, wie man sie in Frankreich sieht. Und auf dem Tisch der Rotwein zum Essen, und mir schien, wir tränken und tränken, bis alle Begierden in uns, die erotischen und die profanen, ausgebrannt waren und wir schlafen konnten.
Ich hatte auf dem College einen Freund gehabt, aber er war ein Kind gewesen im Vergleich zu Harrold. Er hatte keine dunklen Geheimnisse gehabt, in die er mich einweihte. Aber natürlich war auch ich damals noch ein Kind gewesen. Wir tranken zwar an den Wochenenden süße Cocktails, aber das war nichts weiter als ein harmloses Vergnügen gewesen, ohne Bedeutung.
Das Trinken mit Harrold war anders: Wir gingen darin unter.
Ich habe Erinnerungen. Ich erinnere mich zum Beispiel an folgendes: Wir waren im Schlafzimmer. Es war spät, ein heißer Abend, und ich war im Unterrock. Er zündete eine Zigarette an und neigte sich in der Dunkelheit zu mir, um sie mir zu geben. Ich rauchte nicht oft, aber mit ihm rauchte ich manchmal. Er hatte ausländische Zigaretten, und die mochte ich. Er kaufte sie auf seinen Reisen, sie hatten ein dunkles, fruchtiges Aroma wie Blumen in einem feuchten Wald.
Er trug noch die Sachen, die er zur Arbeit angehabt hatte. Vor allem erinnere ich mich an den Stoff seines Hemdes, ein steifes blaues Baumwollgewebe. Auch seine Krawatte trug er noch, aber sie hing lose herunter. Wir rauchten und sprachen nichts, aber ich hatte das Gefühl, daß gleich etwas geschehen würde.
Ich saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf der Bettkante. Meine Füße waren nackt. Er saß nicht weit entfernt von mir lässig in seinem Sessel, die Beine ebenfalls übereinandergeschlagen, den einen Fußknöchel auf dem anderen Knie. Er beobachtete mich, betrachtete aufmerksam mein Gesicht, verfolgte meine Gesten, während ich rauchte, und ich wurde verlegen unter seinem prüfenden Blick und hätte gern gelacht, um ihn von mir abzulenken.
Aber da stand er plötzlich auf, nahm mir die Zigarette aus der Hand und drückte sie aus. Er schob mir die Hände unter die Arme, zog mich hoch und legte mich auf dem Bett nieder. Ich weiß noch, daß er über mich gebeugt war, ja, er hing eigentlich über mir, ich kannte das schon von ihm, und ich weiß, daß er sich nicht ausgezogen hatte. Er zog meine Hände zu den Messingstangen des Kopfbretts hoch. Er öffnete den Knoten seiner Krawatte. Ich spürte den Druck seiner Gürtelschließe an meinen Rippen, den Stoff seines Hemds an meinem Gesicht, die Seide seiner Krawatte an meinem Handgelenk. Durch den Stoff seines Hemds atmete ich seinen Geruch, den ich liebte. Und später, als er sagte, daß er mich liebe, und laut meinen Namen rief, dachte ich plötzlich: Hat er diese Szenen in meinem Gesicht gesehen, als er mich vorhin beobachtet hatte?
Es war Morgen. Ich stand neben einem Schrank vor dem Spiegel und war dabei, mich anzuziehen, um zur Arbeit zu gehen. Ich hatte ein Kleid an, das ich sehr mochte – es war aus Mousseline, ein langes indisches Gewand mit feiner Stickerei auf dem Oberteil. Er stand vor seiner Kommode und suchte nach einem Paar Socken. Er hatte seine Hose an, aber kein Hemd. Er drehte sich herum und musterte mich – mit einem langen, kalt prüfenden Blick – und sagte: »Du solltest kürzere Röcke tragen; du hast schöne Beine.« Und dann: »Steck deine Haare nicht hoch. Es sieht schöner aus, wenn du sie offen trägst.«
Ich nahm die Nadeln aus dem Mund und legte sie auf den Tisch. Ich löste mein Haar und ließ es herabfallen.
Er sagte: »Du könntest richtig sexy aussehen, wenn du willst. Das Zeug dazu hast
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