Gefesselte Lust
hat. Es ist weiß, mit großen, zarten Blüten, und es schmiegt sich um meine Kurven wie eine zweite Haut. Nur der weite Rock schwingt bei jedem Schritt.
Ich habe das Kleid aus Scham nie getragen; für mich war es einfach zu aufreizend. Aber für diesen Abend scheint es zu passen. Zum Ausgleich trage ich flache Schuhe und stecke mir die Haare locker hoch. Mit diesem Kleid ist es unmöglich, einen BH zu tragen; er würde sich unschön darunter abzeichnen; daher wähle ich als Unterwäsche nur einen einfachen weißen Slip.
Ein letzter Blick in den Spiegel zeigt mir eine Frau in einem Kleid, das jede ihrer Kurven betont. Eine leicht gelockte Strähne fällt mir ins Gesicht, und meine Wangen und Lippen sind vor Aufregung gerötet. Das Bild ist ungewohnt, aber ich denke, so kann ich Jonah gegenübertreten.
Atemlos kehre ich ins Wohnzimmer zurück – Jonah steht neben dem einzigen Bild, das ich bisher aufgehängt habe. Es zeigt meine Familie und mich – in glücklichen Zeiten. Die scheinen eine Ewigkeit zurückzuliegen. Jonah sieht neben den lachenden, fröhlichen Menschen aus wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Schweigend betrachtete er das Foto von uns dreien, die Hände dabei locker in den Taschen seiner Jeans, den Kopf ein wenig erhoben.
Ich räuspere mich, doch er wendet den Blick nicht von dem Bild ab. Erst nach einer Weile dreht er den Kopf zu mir. Kein Kompliment kommt über seine Lippen, nur ein anerkennendes Nicken. Ich erwäge, mich umzudrehen und wieder ins Schlafzimmer zu gehen, doch Jonah streckt mir die Hand entgegen. Es ist, als würde er mir viel mehr anbieten als nur seine Hand – und als läge es nur an mir, ob ich annehme oder nicht.
Ich ergreife sie, und er führt mich aus der Wohnung.
In seinem Mercedes fahren wir schweigend durch die hell erleuchtete Stadt. Der Sitz unter mir ist mit weichem Leder bespannt und die eingebaute Sitzheizung sorgt dafür, dass ich nicht mehr friere. Was für eine dämliche Idee, ausgerechnet im Herbst ein dünnes Sommerkleid anzuziehen!
»Besser?«, fragt Jonah mit Blick auf die Straße und schaltet in den nächsten Gang.
Ich nicke. »Woher wusstest du, dass mir kalt ist?«
Jonah sieht mich nun doch an und deutete mit einem leisen Lächeln auf meinen Oberkörper. Dort drücken sich meine Brustwarzen als kleine feste Nippel durch den Stoff. Erschrocken verschränke ich die Arme vor der Brust, was ihn zum Lachen reizt. Es ist schön, ihn lachen zu hören. Unwillkürlich muss ich selbst lächeln, bis mir wieder einfällt, was ihn so amüsiert hat. Ich schnaufe leise. Jonah zwinkert, und ich entspanne mich ein wenig.
Wir fahren nicht lange; der Mercedes hält bald im Innenhof eines alten Fabrikgebäudes aus Backstein. Dort stehen bereits andere Wagen aus der gleichen Preisklasse, und es wurde tatsächlich ein roter Teppich vom Eingang des Gebäudes bis zu einer großen doppelten Stahltür ausgelegt.
Wir steigen aus. Wie selbstverständlich legt Jonah seinen Arm um meine Taille und führt mich den Teppich entlang zur Tür. Auch im Innern des Gebäudes dominiert der rote Backstein. Das Gebäude wirkt ein wenig wie eine mittelalterliche Burg inmitten der Jugendstilgebäude, die es umgeben.
Wir befinden uns in einer großen Halle, einige zusätzliche weiße Aufstellwände unterteilen sie grob in einzelne Sektionen. Dazwischen finden sich runde Stehtische, die mit schwarzen Überwürfen und blutroten Hussen dekoriert sind. Wir sind nicht die einzigen Besucher – elegant gekleidete Männer und Frauen stehen an den Wänden, an denen diverse Bilder hängen, oder scharen sich um die Tische. Alle Anwesenden trinken Champagner aus kunstvoll verzierten Glasflöten und plaudern angeregt. Dazwischen wandern Kellner mit Tabletts umher, sammeln leere Gläser ein oder reichen Canapés auf extravagant gestalteten Häppchen-Löffeln.
Jonah wird von vielen der Anwesenden freudig begrüßt, während wir uns durch die Menge schieben, doch er bleibt nie stehen, um zu plaudern. Entweder erwidert er die Grüße mit einem Nicken oder er ignoriert sie ganz. Dabei lassen seine Augen die Bilder an den Wänden nicht aus dem Blick, nur ihnen und mir gilt seine ganze Konzentration. Mich macht das stolz und nervös zugleich. Er führt mich zu einem ganz bestimmten gerahmten Bild, das etwas abseits hängt.
Ich erkenne es sofort wieder – es gehört zu der Serie der Fesslungs-Fotos, die auch den Flur in der B-Touch-Redaktion schmücken und sich überall in Jonahs Büro finden. Dieses hier
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