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Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
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Innenhof geht, aber nur einen Blick auf die braune Außenwand ermöglicht.
    Ich stehe auf und klopfe. Es ist zwei Minuten vor meinem Termin. Nachdem ich keine Reaktion erhalte, öffne ich vorsichtig die Tür. Da sitzt sie, meine Jobberaterin, Frau Mayer, und telefoniert. Sie hat kurze schwarze Haare und trägt ein langes, weites Kleid. Über ihrem üppigen Busen baumeln ein paar Ketten. Sie wirkt auf den ersten Blick sympathisch, aber älter als ich erwartet hatte. Mit Gesten gibt sie mir bedauernd zu verstehen, dass es noch einen Moment dauern wird. Ich nicke, ziehe die Tür zu und bleibe wartend im Gang stehen. Inzwischen begrüße ich jeden, den ich sehe. Das schweigende Nichtbeachten ist mir einfach zu dumm. Ein Mitarbeiter freut sich sichtlich darüber und sagt: »Sie können einfach reingehen. Immer schön lästig sein.« Dann geht er fröhlich pfeifend in sein Büro ein paar Türen weiter.
    Jetzt höre ich, wie sich meine Beraterin am Telefon verabschiedet, aber nichts tut sich. Soll ich noch einmal klopfen? Ich bin unsicher. Eigentlich bin ich der Ansicht, dass sie michnun hereinbitten muss. Aber wenn sie nun ihrerseits auf mich wartet? Das Ausharren hier im dunklen engen Gang direkt vor ihrer Tür wird mir zäh. Ich blicke auf die Uhr. Jetzt stehe ich bestimmt schon sieben Minuten hier. Ich klopfe noch einmal und strecke vorsichtig den Kopf ins Zimmer. Frau Mayer schreibt am Computer. Sie hebt irritiert den Kopf und sieht zur Tür.
    »Ich hole Sie in einer Sekunde«, sagt sie abwehrend.
    Also ziehe ich meinen Kopf zum zweiten Mal zurück und warte wieder. »Oh Gott, das ist ja ein toller Start«, denke ich mir. »Könnten wir vielleicht mal anfangen?« Ich wünsche mich sehr weit weg.
    Da öffnet sich die Tür, und ich darf eintreten und ihr gegenüber Platz nehmen. Sie gibt mir nicht die Hand und überlässt es mir, als Erste zu grüßen. So hatte ich mir das Treffen nicht vorgestellt. Ich fühle mich nicht sehr willkommen. Entweder ist sie immer so oder sie nimmt mir die Türaufreißerei übel. Ich weiß es nicht, und ich nehme mir vor, darüber hinwegzusehen und unbeirrt freundlich zu bleiben. Ich muss es irgendwie schaffen, sie auf meine Seite zu ziehen. Ich packe meine Mappe aus und Frau Mayer versenkt sich sofort in das, was auf ihrem Bildschirm steht.
    »Sie sind jetzt seit Längerem selbstständig?«
    »Nein«, korrigiere ich. »Ich war fünfzehn Jahre bei meinem Arbeitgeber.«
    »Ach so, genau. Dann vervollständigen wir mal Ihr Profil.« Sie füllt offenbar irgendwelche Sachen am Computer aus. Ich sitze untätig herum, beantworte hin und wieder eine Frage. Ich habe den Eindruck, dass sie zunehmend freundlicher wird. Offenbar ist sie mit meinem Lebenslauf zufrieden. Die Situation erinnert mich an einen Arztbesuch. Unser Kinderarzt studiert und füttert auch immer seinen Computer, während wir ihm gegenübersitzen. Ich hätte dann jedes Mal am liebsten ebenfalls einen PC vor mir, in dessen Universum ich mich vertiefen könnte. Da mir dieser auch hier und heute fehlt, sehe ich mich eben um. Gemütlich ist es nicht. Schick auch nicht. Eher zeitlos staubig. Man spürt den halbherzigen Versuch, das Büro persönlichzu gestalten. Am Fenster steht eine Lampe aus Stein, auf dem Tisch liegen Steine zwischen dickblättrigen Pflanzen. An der Wand hinter mir hängen ein paar Landschaftsaufnahmen verrutscht hinter Glas, es sieht so aus, als seien sie schon seit geraumer Zeit in eine Schieflage geraten.
    »Darf ich Sie bitten, Ihre Kenntnisse selbst auszufüllen?« Sie steht auf und macht mir Platz. Das finde ich seltsam, aber ich tue ihr gerne den Gefallen. Wer hätte gedacht, dass ich einmal auf dem Stuhl eines Arbeitsagentur-Jobberaters sitzen würde? Fühlt sich ganz normal an. Der Stuhl ist nicht bequemer als der, den ich vor meinem Schreibtisch hatte. Wie gerne würde ich jetzt ein bisschen in meinem Profil und Stammdatensatz herumstöbern, aber ich bin ja nicht alleine. Frau Mayer steht ungeduldig neben mir und nestelt an ihrer beachtlichen Kette. Also tue ich, was ich soll: meine Kenntnisse zu Protokoll geben. Ich sehe auf dem Computer eine mehrere Bildschirmseiten lange Liste vor mir. Bei jedem Punkt soll ich ankreuzen, ob ich das gut, sehr gut oder hervorragend kann. Die Begriffe sind seltsam vage gewählt. Da steht zum Beispiel »Kulturwissenschaften« oder »Projektarbeit«. Ich finde es ungünstig, dass ich das spontan machen soll, klicke mich aber brav bis ans Ende.
    Dann tauschen wir wieder den

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