Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
Vom Netzwerk:
er.
    »Sie hat gar nicht gebohrt«, lache ich, tatsächlich bin ich ziemlich erleichtert. »Und bei dir?«
    »Bei mir auch. Da war gar nichts von wegen, dass ich ein Seminar besuchen muss. Wir haben nur mein Bewerberprofil erstellt.«
    Nach unserem Telefonat kämpfe ich mit meiner Tasche. Sie ist so überfüllt, dass ich die neuen Unterlagen nur mit Mühe einpacken kann. Dann schwinge ich mich fröhlich aufs Rad. Auf dem Nachhauseweg fängt es an, wie aus Eimern zu schütten.Ich stelle mich kurz unter und packe mein Regencape aus. Ich bin mal wieder für alle Wetter gerüstet, denke ich, und bin sehr zufrieden mit mir. Ich bin fit für dieses Wetter! Ich bin fit für Frau Mayer! Ich bin fit für diesen Arbeitsmarkt! Das wird schon.

[ Menü ]
    In Aktion
    Am nächsten Morgen sind die Erleichterung und die Zuversicht, die mich nach diesem ersten Termin in der Arbeitsagentur überkamen, verschwunden. Stattdessen fühle ich Ernüchterung und Wut. Wut über die Unverschämtheit, mir zu sagen, dass ich sowieso kaum Chancen habe. Und das von Leuten, die sich auch noch »Jobberater« nennen. Wut über den Zwang, solche Termine wahrnehmen zu müssen.
    Mein misslungenes Gespräch ist keine Ausnahme. Für eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung begleiteten zwei Wissenschaftler in den Jahren 2007 und 2008 42 Beratungsgespräche in Arbeitsagenturen. Nur in 17 Prozent der Gespräche gab es eine wirkliche Beratung, stellten die Forscher fest. Die Vermittler seien vor allem damit beschäftigt gewesen, Computerformulare auszufüllen. Das Fazit der Wissenschaftler: Zu einem Dialog »auf Augenhöhe«, in dem Erwerbsloser und Vermittler miteinander über die beste Strategie zur Beendigung der Arbeitslosigkeit verhandeln, komme es nur selten.
    Wie ich aus dieser Studie erfuhr, müssen die Jobvermittler ein vorgegebenes Schema bei jedem Gespräch anwenden, das von der Controllingabteilung überprüft wird. Es ist auch im Nachhinein eine seltsame Vorstellung, Objekt eines prüfenden Controllerauges gewesen zu sein. Neu ist mir auch, dass ich sofort in meinen Jobchancen beurteilt wurde. Frau Mayer muss, kaum dass ich aus der Tür war, mich einer von vier Kategorien zugeordnet haben. Ich nehme an, sie hat mich wegen der Kinder zu einem »Betreuungskunden« gemacht, das heißt, dass ich in den nächsten zwölf Monaten keinen neuen Job finden werde. Das passt mir nicht, so zum Problemfall gemacht zu werden. Lieber wäre ich ein »Marktkunde«, der keiner besonderen Unterstützung bedarf. Zur Wahl stünde noch der Beratungskunde in den beiden Formen »Aktivieren« und »Fördern«. Muss ihn der Jobberater nur in seiner Motivation und Stellensuche »aktivieren«,ist er schneller zu vermitteln. Bei »Fördern« sind weitere Qualifizierungen nötig.
    Am liebsten würde ich ihr einen Brief schreiben und zu meiner Einordnung Stellung nehmen: »Liebe Frau Mayer, leider muss ich annehmen, dass Sie mich als Betreuungskundin eingeordnet haben. Bitte erlauben Sie mir, darauf hinzuweisen, dass wir bei der Einschätzung meiner Chancen unterschiedlicher Auffassung sind. Ich bin mir sicher, in naher Zukunft eine neue Position zu finden und mein eigenes Geld verdienen zu können. Wenn es gut läuft, sogar, bevor ich überhaupt arbeitslos werde. Vergessen Sie nicht: Es sind Monate Zeit bis dahin. Daher möchte ich Sie bitten, mich als Marktkundin einzustufen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie meinen Status noch einmal überdenken könnten. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen …«
    Aber ich werde mich hüten. Auf keinen Fall will ich es mir mit Frau Mayer verscherzen. Vielleicht ist es Zeit für eine neue Regel für Gekündigte. Regel Nummer eins und zwei waren: Sorge für ein gutes Zeugnis und verwandle dich zum DI N-Bewerber . Regel Nummer drei müsste lauten: Stelle dich gut mit deinem Jobberater. Er ist der Mächtigere von euch beiden.
    Es wäre fair, wenn man seine Arbeitslosenversicherung kündigen und zu einem anderen Anbieter wechseln könnte. Verglichen mit allen anderen Versicherungen, die man im Laufe seines Lebens abschließt – Haftpflicht, Unfall, Hausrat et cetera – bietet die Arbeitslosenversicherung definitiv den schlechtesten Service. Wenn ich bei, sagen wir, meiner Haftpflichtversicherung anrufe, weil ich irgendetwas kaputt gemacht habe, was mir nicht gehört, werde ich dort sehr freundlich empfangen. Der Schadensfall wird geregelt, ohne dass ich auf meine Pflichten hingewiesen werde, mir

Weitere Kostenlose Bücher