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Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
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Interessante ist, dass im Nachhinein alles seinen Schrecken verliert. Grabenkämpfe, frustrierende Entscheidungen von oben, Kollegen, die einen auf die Palme brachten – plötzlich ist alles wie von einem rosa Schleier bedeckt und nur noch zum Gernhaben. Selbst über Personen, die das Zeug hatten, einen wahrhaftig an den Rand des Nervenzusammenbruchs zu treiben, kann man nur noch schmunzeln.
    Während ich meine alten Mails lösche, rufe ich einen früheren Vorgesetzten an, um meine Mitarbeit auf Honorarbasis anzubieten. Ich sehe das als ersten Test, ob eine Selbstständigkeit erfolgreich sein könnte. Und ich will dadurch natürlich auch wieder von mir hören lassen, den Fuß in der Tür behalten. (»Sehr gut«, höre ich auf einmal wieder die Stimme von Frau Mayer im Ohr. »Nutzen Sie nur Ihre Kontakte! Weiter so!«)
    Es ist viel einfacher als gedacht. Ich habe kaum meine Anfrage ausgesprochen, schon habe ich die Zusage für einen Auftrag, den ich von zu Hause erledigen kann. Das ist absolut euphorisierend! Das ist super! Ich will mich sofort voller Energie an die Arbeit machen. Aber das geht nicht. Die Kinder sind da, Johannes aber nicht und auf die Schnelle bekomme ich auch keinen Babysitter.
    Ich nehme mir vor, abends in Ruhe damit anzufangen, aber da besucht uns spontan unser Freund Max.
    »Entschuldige, dass ich einfach so hereinplatze, aber du hast doch Zeit?«, sagt er zur Begrüßung, mehr feststellend als fragend.
    Er sitzt kaum, schon stimmt er sein Lamento an, die Tasche noch auf dem Schoß. Er ist mit seiner Arbeitssituation sehr unzufrieden. Das ist nichts Neues. Seinen Beschluss: »Es kann so nicht weitergehen!«, den er diesmal gleich als ersten Satz voranstellt, habe ich schon hundert Mal gehört. Er fühlt sich in einem Hamsterrad gefangen. Sein Job erfüllt ihn nicht, gleichzeitig herrscht dort so viel Stress, dass er permanent überfordert ist und keine Energie hat, nach einer Alternative zu suchen. Die könnte nun offenbar von außen kommen.
    »Es ist ein offenes Geheimnis, dass es im Herbst, wenn die Geschäftsführung aus dem Urlaub zurück ist, betriebsbedingte Kündigungen geben wird«, erzählt er.
    Ich finde es komisch, dass man als Geschäftsführer erst in Urlaub fährt, bevor man kündigt. Überlegt man sich das vor den Ferien und vertagt die Umsetzung auf später? Oder fällt der schwere Entschluss erst während der Ferien? Gehen Geschäftsführer vielleicht sogar zusammen in Krisenurlaub, um gemeinsam nach Lösungen zu fahnden? Ich stelle mir vor, wie erschöpfte Top-Manager mitten im gemeinsamen Moorbaden oder beim Heilfasten Krisenszenarien und Strategien besprechen, bis schließlich der weitreichende Beschluss fällt: »Wir kündigen.«
    »Ist denn deine Abteilung auch betroffen?«, frage ich ihn.
    »Wer weiß das schon? Auf jeden Fall brodelt die Gerüchteküche.Der eine hört das, der andere zieht diese Schlüsse daraus. Du weißt ja, wie das ist.«
    Ja, ich weiß, wie das ist. Bei meinem Arbeitgeber gab es über die Jahre, die ich für ihn gearbeitet habe, mehrere Hochs und Tiefs. Die Reaktion auf wirtschaftliche Schwierigkeiten hieß immer Personalabbau – bis kurze Zeit später wieder Leute eingestellt wurden, weil sich die Auftragslage verbesserte. Ich verstehe nicht, wie man mehrmals hintereinander auf so eine kurzfristige Lösung wie Entlassungen setzen kann, aber ich bin ja kein Geschäftsführer. Von einem Kollegen habe ich erfahren, dass bei uns inzwischen auch Herr Roth um seinen Job bangt.
    Unser Freund Max schüttelt den Kopf. »Vor drei Jahren hieß es erst, jetzt wird investiert, und heute wird schon wieder alles heruntergefahren …«
    Sein Arbeitgeber und auch meiner sind mit ihren Entlassungen in guter Gesellschaft. Vier von zehn deutschen Unternehmen spüren die Wirtschaftskrise, zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarktforschung (IAB). Von ihnen hat jeder zehnte Betrieb deswegen bereits Mitarbeitern gekündigt. 17 Prozent setzen auf Kurzarbeit, 83 Prozent haben sich einen Einstellungsstopp verordnet und ein Fünftel hat die Löhne gekürzt. Das Fazit der IA B-Forscher : »Entscheidend für die weitere Entwicklung wird sein, ob die Betriebe mit solchen Maßnahmen bis zum Aufschwung durchhalten können.« In einer weiteren Studie schreibt das IAB, dass es im Herbst mit weiteren Entlassungen rechnet.
    Max und ich werden in unserem Kopfschütteln über die Entlassungs-Einstellungs-Politik vom Telefon unterbrochen. Meine Freundin Sabine ruft an. Ich

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