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Gefeuert

Titel: Gefeuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Berger
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Referenzen«, versuche ich sie zu beruhigen.
    »Ein Personalmensch wundert sich bestimmt, was du die ganze Zeit gemacht hast. Die wissen doch gar nicht, dass Kinder viel Arbeit bedeuten.«
    Danke, Mama, sehr aufbauend. Aber es kommt noch schlimmer.
    »Mit 45 ist Schluss! In dem Alter stellt einen keiner mehr neu ein«, mahnt sie.
    Mit 45 … Also, wenn ich bis dahin kein Geld verdiene, habe ich echt ein Problem. »Mama, von 45 bin ich Jahre entfernt!«, rufe ich entrüstet und schnappe mir den Kleinen zum Wickeln, um dieses schreckliche Gespräch endlich zu beenden.
    Als ich mich schließlich verabschiede, drückt sie mir einen Packen Geldscheine in die Hand. Ich will abwehren. Aber sie sagt: »Du weißt doch auch nicht, was jetzt kommt …«
    »Ach Mama«, protestiere ich. »Ich habe dir doch erzählt, ich mache mich selbstständig, falls es mit der Jobsuche nicht klappt.« Aber sie will das Geld partout nicht zurücknehmen. Am Ende stecke ich es ein. Jetzt bin ich also schon so weit, wieder Taschengeld annehmen zu müssen. Super. Danach gibt sie mir noch einen zweiten Packen Geld. Den soll ich meinem Bruder mitbringen, weil sie ihn selbst nicht mehr sieht, bevor er am nächsten Tag erneut in die Klinik geht.
    Am nächsten Morgen bringt mein Vater meinen Bruder ins Krankenhaus. Ich habe mich nicht getraut, ihn noch einmal auf die anstehende Operation und seine Entscheidung anzusprechen. Er wirkt abwesend und ich spüre, dass er jetzt alle Kraft braucht, sich zusammenzureißen, das durchzuziehen. Ich gehe mit dem Kleinen zum Bahnhof, um nach Hause zu fahren. Ich bin völlig geschafft, am Rand der Überforderung. Meine eigenen Jobsorgen sind in den Hintergrund gerückt, ich bin ratlos,was ich für meinen Bruder tun kann, und gestresst, wenn ich an meine Eltern denke. Am liebsten würde ich gar nichts machen, mich der Schwäche, die mich überkommt, hingeben und nur vor mich hinstieren, aber der Kleine verlangt meine Aufmerksamkeit.

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    Die persönliche Meldung
    Gleich am nächsten Tag fahre ich zur Arbeitsagentur. Eigentlich wollte ich diesen Termin schon vor ein paar Tagen erledigen, aber ich habe den Plan aufgrund des Besuchs zu Hause verschoben. Heute morgen habe ich kurz überlegt, zu Hause zu bleiben, bis die Operation überstanden ist, mich jedoch dagegen entschieden, da ich nur tatenlos hätte warten können.
    Jetzt, wo sich die Arbeitslosigkeit drohend nähert und ich in weniger als drei Monaten ohne Job dastehen werde, muss ich mich noch einmal persönlich arbeitslos melden. Ich war zwar bereits vor Monaten persönlich da, damals beim Termin mit Frau Mayer, aber das gilt nicht. Im »Merkblatt für Arbeitslose«, das tatsächlich – wie Luc kürzlich erwähnte – 79 Seiten dick ist, steht: »Ihre persönliche Arbeitslosmeldung ist eine unverzichtbare Anspruchsvoraussetzung zum Bezug von Arbeitslosengeld!« Eine Erklärung dafür, warum ich mich nicht auch vier, fünf oder sechs Monate vorher »persönlich« melden kann, finde ich nicht.
    Ich stehe also um sechs Uhr morgens auf, damit ich gleich um acht in der Agentur bin. Um diese Zeit sei am wenigsten los, sagte mir damals Frau Mayer. Jetzt sitzt sie mir wieder im Ohr als personalisiertes Arbeitslosengewissen und übertönt das Weckerklingeln: »Aufstehen, Frau Berger«, ruft sie ärgerlich, weil ich nicht sofort senkrecht im Bett sitze. »Oder schlafen Sie auch gerne lange?«
    Beim Frühstück beäugt mich Ella neugierig: »Was hast du denn da für eine komische Hose an?« Ich habe aus reiner Gewohnheit zur schwarzen Tanten-Hose gegriffen, die ich bereits beim ersten Arbeitsagenturtermin getragen habe. Ich fühle mich heute schlecht vorbereitet, weil meine Mappe noch nicht bereitliegt. In aller Eile packe ich alle möglichen Unterlagen zusammen: die Kündigung, die Abwicklungsvereinbarung, Gehaltsabrechnungen.
    Was fehlt, ist die Arbeitsbescheinigung, ein Formular, das der Arbeitgeber ausfüllen muss. Sie ist seit dem Termin bei Frau Mayer unerledigt in einem Ordner abgeheftet. Ich hätte sie schon längst an Herrn Roth schicken können, habe auch immer wieder daran gedacht. Aber ich habe es aufgeschoben. Es ist mir unangenehm, Herrn Roth einen Brief schreiben zu müssen. Wie kindisch, vor allem, weil ich nicht darum herumkommen werde. Nun ärgere ich mich, dass ich mich bislang davor gedrückt habe.
    Dabei bin ich mir gar nicht sicher, ob die Bescheinigung heute verlangt werden wird. Es war mir nicht möglich herauszufinden, was ich mitbringen

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