Gefluesterte Worte
Augenblick, den sie gern benutzen, um die schlecht behütete Veste zu stürmen. Sie sehen an diesem Hochmut, daß sie schwach ist und einnehmbar, und erreichen gerade dann ihre Zwecke, wenn der andre am sichersten ist ihnen zu widerstehen.
Wie mancher hat retten wollen, und ist nur selbst gefallen!
Es ist besser, wenn diejenigen, die eines Geistes sind, sich vereinigen und sich gegenseitighelfen, auf geraden Wegen zu bleiben, ohne Überhebung, ohne den Gedanken, die Welt zu verbessern. Dazu reicht ihre Einsicht nicht. Ihre Zeit, zu helfen, kommt, und der Gelegenheiten sind viele. Was braucht man sie aufzusuchen? Nur niemals denken; Ich bin rein! Oder, ich bin reiner als dieser oder jener! Erstens weißt du das nicht, liebe Seele, denn du siehst in den andern nicht hinein und in dich selbst auch nur sehr wenig, zweitens kannst du von dir selbst noch von andern sagen, wer oder was sie sind, denn es weiß es ja doch keiner. Das »Fνώδι σεαυτόν« war ein Irrtum. Denn es ist unmöglich, sich selbst zu kennen, da man nicht weiß, was man gewesen ist. Um sich selbst zu kennen, müßte man genau sagen können, wer man in früheren Existenzen war, und das ist uns vollkommen verhüllt.
Das Gute ist, Gott sei Dank, uns allen verständlich, und wir möchten gern gut sein. Viele, die sich dem Schlechten ergeben, tun es aus Verzweiflung, weil sie sich einbilden, so tief gefallen zu sein, daß es ihnen ewig unerreichbar ist. Dann leugnen sie das Gute überhaupt. Man sollte mit diesen nicht nur tiefes Mitleid haben, sondern sogar versuchen, sie vom Gegenteilzu überzeugen, aber nicht durch Worte, die an sie ganz verschwendet wären, da sie nicht geglaubt würden, sondern durch Taten der Liebe, der Aufopferung, des Edelmuts, der Güte. Nicht reden da, wo Reden nicht hilft.
Und wenn man dich verleumdet hat, liebe Seele, so habe doch Mitleid mit den Verleumdern und denke, daß sie sich gern einmal von deiner Reinheit überzeugen lassen werden; vielleicht dann, wenn du es gar nicht ahnst, wenn du zu großmütig vergessen halt, wie sehr ihre Zunge dich beschmutzt hat. Sie fallen dir zu Füßen und bitten dich in ihren Herzen um Verzeihung, wenn du es nicht weißt. Warum dich so kränken? Warum dich verteidigen? Gegen wen? Gegen viel Schwächere? Gegen solche, die die Reinheit nicht glauben wollen oder können, bis sie dieselbe mit Händen greifen, wie Thomas die Nägelmale? Sei geduldig, liebe Seele, und hülle dich in den weißen Mantel der Reinheit, und harre bis der Tag dich bescheint. Du weißt ja nicht, warum du unter der dunklen Wolke ungerechten Mißtrauens und Verdachtes einhergehen sollst, vielleicht zu deinem und der andern Frommen. Du sollst wie die Sonne verhüllt sein, um besser strahlen zu können, wenn dieStunde kommt, in welcher dein Strahlen den andern gut ist, und sie von irgend einer bezweifelten Wahrheit überzeugen soll. Du kannst es oftmals nicht begreifen, daß man dich für so viel geringer hält, als was du bist und als du deiner reinen Absichten halber verdient hast. Aber, wer hält dich für geringer und unwürdiger, als du meinst, es zu verdienen? Doch nur derjenige, der selbst gering und unwürdig ist, und dich nur nach dem Maße seiner eignen Einsicht beurteilen kann. Nichts ist wahrer, als daß man die andern nach sich selbst beurteilt. Wer gut ist, wird immer bei den andern das Gute voraussetzen, wogegen der Verurteilte sich immer mit den andern an derselben Galeerenkette wähnen wird, und ihnen andichten, was sie nie gedacht, was sie nicht haben denken können.
Du mußt nicht vergessen, liebe Seele, daß deine Reinheit ein Gegenstand des Neides für alle die Unglücklichen ist, die nicht dir nach, noch zu dir empor können, und die deshalb lieber an deiner Güte zweifeln möchten, nur um den bittern Stachel auszureißen, der ihnen im Herzen sitzt und an ihnen nagt, wie die Wunde des Amfortas. Neid ist wohl die unheilbarste Wunde und sollte unser Mitleid so sehr erregen,daß wir jeden Grad von Geduld hätten mit den also Betroffenen. Wir aber fühlen nur Groll und Widerwillen und haben nicht die Kraft uns bis zum Erbarmen zu erheben, trotz dem wundervollen Beispiel desjenigen, der sich ans Kreuz schlagen und mehr als verleumden ließ.
Wir sind noch immer gar keine Christen und finden das Christentum überlebt und abgenutzt, obwohl wir es noch nicht einmal verstanden, noch nicht ein einziges Mal wirklich ausgeübt haben; sonst würden wir in all diese Fehler gar nicht mehr verfallen. Darum
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