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Gefrorene Seelen

Gefrorene Seelen

Titel: Gefrorene Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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dazugestoßen. Sie war durch einen rückwärtigen Flur hereingekommen, der neben dem Wäschegeschäft noch Zugang zu einem Kerzenladenbot. Die Luft roch angenehm nach Sägemehl und Früchtearoma.
    Ein Schwarzweißmonitor zeigte einen Ausschnitt des Restaurants, der den größten Teil der Bar einfing. Delorme deutete auf den Bildschirm. »Ist die Kamera beweglich?«
    »Corbett sagte, er werde an der Bar sitzen. Würde sich Cardinal zum führenden Fälscher Kanadas an einen Tisch setzen, könnte man wohl schwerlich von einem Zufall sprechen. An der Bar ist das etwas anderes: Da kann man nicht bestimmen, wer sich neben einen setzt.«
    »Ja, aber wenn …«
    »Die Kamera ist auf einen Drehkopf montiert. Wir können sie mit einem Joystick von hier aus steuern. Wir machen das nicht zum ersten Mal, wissen Sie.«
    Ganz schön empfindlich, der Typ, hätte Delorme beinahe gesagt. Stattdessen ging sie zu dem zugenagelten Schaufenster hinüber und beobachtete die Straße durch ein kleines Loch im Schriftzug »Neueröffnung«. Ihr war zwar klar, dass er, wenn er überhaupt kam, von hinten durch den Eingang zur Oak Street hereinkommen würde, aber sie wollte lieber einen anderen Anblick genießen als die leere Bar oder den Rücken ihrer unfreundlichen Kollegen. Durch das Guckloch konnte man nicht viel sehen. Der Schneematsch auf der Hauptstraße war knöcheltief. Die Gehwege waren jedoch dank kundenfreundlicher Beheizung sauber und trocken. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite warb ein Kulturzentrum, das früher einmal ein Kino gewesen war, unter dem Titel »Der wahre Norden« für eine Ausstellung von Aquarellen zeitgenössischer kanadischer Künstler sowie für einen Mozart-Abend mit dem Algonquin Bay Symphony Orchestra. Der angekündigte Schnee fiel in leichten Flocken.
    Fußgänger waren nicht zu sehen, was nachts um Viertel vor zwei auch nicht weiter verwunderte. Komm nicht, dachte Delorme, überleg es dir anders, bleib zu Hause. Vor nicht einmal drei Stunden hatte Sergeant Langois aus Florida angerufen undihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Seither hatte sie mit ihren Emotionen zu kämpfen. Einem Mann Handschellen anzulegen, der das Police Department an Ganoven verraten und den Steuerzahler geprellt hatte, mochte angehen, solange man nur darüber redete. Etwas anderes war es jedoch, das Leben eines Menschen zu ruinieren, mit dem man täglich zusammenarbeitete, es mit einem Menschen aus Fleisch und Blut zu tun zu haben, nicht mit einem abstrakten Ermittlungsziel. Auch bei der Verhaftung des Bürgermeisters – eines korrupten Mannes, der die Stadt betrogen und eine längere Gefängnisstrafe sicherlich verdient hatte – hatte sie vorher durch das gleiche Wechselbad der Gefühle gehen müssen. Kurz vor der Verhaftung dachte sie nur an die unabsichtlichen Opfer ihrer Ermittlung, an die Frau und die Tochter des Bürgermeisters. Kollateralschäden, dachte sie. Ich bin ein loyal denkender Pilot, der seinen Einsatz fliegt und nur seine Befehle ausführt. Ich hätte Amerikanerin werden und zur Air Force gehen sollen.
    Ein rotweißer Cadillac Eldorado glitt ins Blickfeld, kam im Schneematsch leicht ins Rutschen und hielt dann vor dem Restaurant. Helle Lichter, glänzendes Metall wie ein Spielzeug, das man über ein Babybett hängt. Es ist so weit, dachte Delorme, für Gewissensbisse ist es jetzt zu spät. Wahrscheinlich ist es doch bloß Lampenfieber. Das Auto war zu weit vorgefahren, als dass sie hätte sehen können, wer ausgestiegen war.
    Ein Funkgerät knackte, und eine männliche Stimme sagte: »Elvis ist da«, was Musgrave kurz bestätigte. Delorme hatte gar nicht gemerkt, dass auch anderswo noch Männer postiert waren. Sie hoffte, dass sie wenigstens im Warmen waren.
    Sie stellte sich zu Musgrave vor den Videomonitor. Auf dem Bildschirm war Kyle Corbett zu sehen, wie er gerade seinen Mantel einer Person reichte, die nicht im Bild war. Dann setzte er sich an die Bar, wo ihn die Kamera genau erfasste. Corbett hatte das Aussehen eines Mittvierzigers, kleidete sich aber wie ein sehr viel jüngerer Mann, ähnlich wie ein Rockstar. Er hatte langes, überallauf dieselbe Länge getrimmtes Haar, das er sich aus der Stirn gekämmt hatte, dazu einen Künstlerspitzbart. Unter einer sportlichen Wildlederjacke mit breiten Aufschlägen trug er einen Sweater mit rundem Halsausschnitt. Er beugte sich vor, überprüfte Frisur und Bart im Spiegel und schwang dann auf dem Barhocker herum, um den Barmann zu begrüßen. Sogleich ließ

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