Gefuehlschaos inklusive
das nur, weil ich geschlafen habe!“
„Nun übertreib mal nicht. Wir leben doch noch.“ Genau, darauf wollte ich ja noch anstoßen.
Als Stefan und ich endlich im Flugzeug sitzen, lehne ich mich erleichtert zurück. Seinen Vater werden sie in zwei Tagen schon wieder aus dem Krankenhaus entlassen. Er hatte nur einen kleinen Schwächeanfall und wird bald wieder wohlauf sein. Oliver sprach den Rest der Zeit kein Wort mehr mit mir, als wäre ich schuld gewesen an seinem Fauxpas im Auto. Da ich nicht vorhabe, den Kontakt in Berlin zu ihm wieder aufzunehmen, soll es mir recht sein. Er kann von mir aus so viel schmollen, wie er will. Mit Stefan allerdings verbindet mich inzwischen eine herzliche Freundschaft. Wir werden uns ganz sicher nicht aus den Augen verlieren.
Die Reue kommt ein wenig spät
Am nächsten Morgen fahre ich gerädert in die Firma. Der kleine Trip nach München ließ mich alles andere vergessen, doch kaum sitze ich an meinem Schreibtisch, werde ich unsanft in die Realität zurückgeholt. Mein Chef legt mir eine Akte nach der anderen auf den Tisch und ahnt noch nicht, wie sehr es mir heute widerstrebt, mich damit zu befassen. Müde lasse ich meinen Kopf auf die Aktenbündel sinken und verspüre nichts als Unlust. Unerwartet tritt mein Chef ins Büro und erwischt mich in dieser Haltung.
„Das Wochenende muss strapaziös gewesen sein.“ Ja, kann man wohl sagen. Ich könnte noch ein Wochenende dranhängen. Er bemerkt meine Halskrause und kommt einen Schritt näher. „Hatten Sie etwa einen Unfall?“
„Oh nein, ich musste nur ein wenig zu unverhofft bremsen. Es ist aber nichts passiert.“ Dass Oliver der Unglücksfahrer war, muss ich meinem Chef ja nicht erklären. Das würde zu lange dauern und spielt auch keine Rolle. Das Einzige, was zählt, ist, dass ich lebe! Herr Ruhland nimmt auf dem Besucherstuhl vor meinem Schreibtisch Platz und versucht, mir aus den Augen zu lesen.
„Ich würde zu gern wissen, was Sie wieder angestellt haben. Sie müssen einen großen Schutzengel haben, der Sie vor größerem Schaden bewahrt.“ Er schmunzelt und zeigt mit dem Finger auf die Aktenberge. „Wir werden die nächsten Wochen viel zu tun haben. Bitte nehmen Sie sich nicht zu viel vor für die kommenden Tage.“
Ich wusste, dass er dies sagen wird. Wir kennen uns lang genug, daher fällt es mir nicht besonders schwer, ihn immer wieder richtig einzuschätzen.
„Ja, Sie haben Glück, zufällig habe ich die nächste Zeit nichts Besseres vor und verspüre ein unbändiges Verlangen, mich genau mit diesen Akten zu beschäftigen. Sie können sich also ganz auf mich verlassen.“
Ich lasse mein unterdrücktes Gähnen gewähren und schließe derweil genüsslich die Augen. Als ich sie wieder öffne, sehe ich in das lächelnde Gesicht meines Chefs. „Danach sollten Sie sich etwas Urlaub gönnen. Sie scheinen ihn dringend nötig zu haben.“
„Nicht doch, ich brauche keinen Urlaub. Aber danke für das Angebot.“
Schläfrig kratze ich mich unter der Halskrause. Urlaub nehme ich in meinem nächsten Leben, jetzt habe ich keine Zeit dafür. Schmunzelnd verlässt Herr Ruhland mein Büro und ich habe keine Ahnung, wo ich mit der Arbeit beginnen soll.
Gegen Mittag ruft Sandra mich an. Ich lasse meine Mittagspause ausfallen und plaudere über eine Stunde lang mit ihr. Es gibt schließlich Unmengen an Neuigkeiten auszutauschen und Frauen brauchen für diese Art der Kommunikation immer unendlich viel Zeit.
„Was? Dieser Stefan ist schwul? Das ist ja ’n Ding.“
„Um Himmels willen, Sandra! Bitte erzähle das deinem Henry auf gar keinen Fall. Ich sagte ja bereits, dass bis jetzt niemand davon weiß. Ich bitte dich um Stillschweigen.“
Plötzlich überkommt mich ein schlechtes Gewissen, dass ich Stefans Geheimnis an Sandra weitergetragen habe. Andererseits sollte es ja auch nicht mehr lange eines bleiben.
„Kein Problem, ich schweige wie ein Grab. Und was ist nun mit diesem Oliver? Wirst du ihn wiedersehen?“
„Ich denke nicht.“
Jedenfalls wäre es so das Beste. Jetzt brauche ich erst mal Zeit für mich und kein Durcheinander meiner Gefühle.
Nach dem Gespräch mit Sandra sehen mich meine Aktenberge vorwurfsvoll an. Ich weiß, ihr wollt, dass ich euch bearbeite, aber ich will eigentlich nur nach Hause ins Bett. Was haltet ihr von einem Kompromiss? Der Kompromiss fällt leider ziemlich einseitig aus, denn um einundzwanzig Uhr sitze ich immer noch im Büro und bin der Meinung, viel zu
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