Gefuehlsecht
dabei, oder?
Vorher will ich noch zum Friseur gehen. Das ist zwar sehr banal, aber es ist seit langer Zeit schon fällig. Ich will endlich mal anders aussehen. Und wenn ich schon einmal dabei bin, dann frisiere ich mich auch gleich unten anders. Jürgen will es ganz natürlich. Aber ich verlange ja auch nicht, dass er sich für mich einen Bart wachsen lässt.
Bei meinem letzten Wunsch bin ich mir nicht ganz sicher. Es ist etwas, wovon ich schon seit langer Zeit träume. Manche Dinge sind in der Fantasie aber womöglich schöner als in der Realität. Ich schreibe es trotzdem auf. Ob ich wirklich jemals Sex mit einer Frau haben werde? Müde und trotzdem irgendwie aufgekratzt überfliege ich ein letztes Mal meine gesammelten heimlichen Vorlieben.
Lotte-Liste
- einen Dildo kaufen und natürlich ausprobieren
- guten Sex haben
- nachts nackt im Schwimmbad baden gehen
- einen wildfremden Mann ansprechen und küssen
- eine neue Frisur ausprobieren …
-... auch unten rum
- Sex mit einer Frau haben – na ja, vielleicht
Sorgfältig falte ich das Blatt zusammen und lege es unter mein Kopfkissen. Maja schnarcht leise vor sich hin. Hoffentlich fummelt sie mich heute Nacht nicht noch einmal an. Das hat sie nämlich vorhin schon mal getan. Wahrscheinlich hat sie von Victor geträumt und aus Versehen die Hand nach mir ausgestreckt. Es ist schon fast vier Uhr. Langsam werden auch meine Augenlider schwer.
8
Wer will denn heutzutage schon normal sein?
»Liebelein, aufwachen! Das Frühstück ruft!« Langsam dringt Majas Stimme an mein Ohr. »Berge voll Eier, Bacon und andere leckere Schweinereien. Los, mach schon!«
»Boah, warum bist du denn schon so fit? Ist ja unheimlich.« Schlaftrunken reibe ich mir die Augen.
»Hab geschlafen wie ein Fels, nicht von Victor geträumt. Und heute Morgen wusste ich es. Victor in allen Ehren, ich meine, er ist echt ein toller Typ. Aber wer bin ich denn? Ich hab’s doch gar nicht nötig, dem hinterherzurennen. Guck mich doch mal an«, sagt sie und wirft sich in Pose. »Auf diese geballte Pracht wird mein armer Koch in Zukunft verzichten müssen. Und weißt du was? Das teile ich ihm jetzt sofort mit!«
Und während sie tippt, spricht sie die Worte mit:
75 Kilo pure Weiblichkeit danken dir für die schöne Zeit. Schade, ich hatte mir mehr davon versprochen.
»So, das war’s! Und jetzt zu dir, Süße. Hast du dir Gedanken darüber gemacht, was du in den geschenkten dreißig Tagen so alles anstellen willst?«
»Ja, das habe ich. Fast die ganze Nacht über. Mein Hirn hat Schwerstarbeit geleistet, zumindest das, was von meinem Hirn nach dem Grappa noch dazu in der Lage war.«
»Und? Mach’s doch nicht so spannend.«
Ich greife unter mein Kopfkissen und reiche Maja die Liste. »Hier, meine geistigen Ergüsse. Aber nicht lachen!«
Sie liest mit ernster Miene. Der letzte Punkt scheint sie am meisten zu beeindrucken.
»Sex mit einer Frau? Wow! Hatte ich auch noch nicht. Aber ich habe schon mal eine geküsst. Das war eine Erfahrung! Du solltest den Mann, den du küssen willst, gegen eine Frau austauschen. Einmal im Leben eine Frau zu küssen ist ein absolutes Muss. Oder mach einfach beides.«
Ich gucke Maja an. Sie hat in dieser Nacht wohl wirklich nicht von Victor geträumt. Zumindest hat sie mich nicht wieder angefummelt. Es war ein ganz eigenartiges Gefühl, als Maja sich auf einmal an mich geschmiegt hat. Sie hat ihre Hand auf meinen Bauch gelegt und es fiel mir schwer, sie wieder von mir wegzuschieben. Dennoch kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, Maja zu küssen. Aber so scheint sie es auch gar nicht gemeint zu haben, denn sie widmet sich schon wieder eingehend meiner Liste.
»Die Idee, ins Schwimmbad einzubrechen, ist wirklich cool. Das können wir direkt hier machen. Wer weiß, vielleicht werden wir ja dann nackt verhaftet? Davon träume ich doch schon lange.«
»Du hast echt’nen Knall, hat dir das eigentlich schon mal jemand gesagt?«
»Na und? Wer will denn heutzutage schon normal sein? Ich nicht. Also was ist? Heute Nacht. An Ort und Stelle. Hier ist das Wasser wenigstens beheizt.«
9
Warum habe ich nicht einfach Ja gesagt?
»Psst, leise, pass doch auf, Puppe. Leucht mal hier rüber. Autsch!«
Es ist drei Uhr, mitten in der Nacht. Zum Glück liegt unser Zimmer im Erdgeschoss, so dass wir ohne Probleme aus dem Fenster geklettert sind. Mit nichts weiter bekleidet als unseren weißen Bademänteln haben wir uns mit zwei Flaschen Sekt und einer
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