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Gefuehlsecht

Gefuehlsecht

Titel: Gefuehlsecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Russo
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günstiger? Dieses Argument würde Jürgen wahrscheinlich sofort verstehen. Ich greife nach dem Blatt Papier und schreibe auf meine Lotte-Liste :
einen Dildo kaufen und ausprobieren
    Vielleicht bin ich ja wirklich zu brav? Ich habe noch nie etwas Verbotenes getan, außer vielleicht die Sache mit dem Eistee …
    Wenn wir einkaufen gehen, dann tun wir das immer in der gleichen Reihenfolge. Erst fahren wir zu Aldi und dann machen wir die restlichen Einkäufe bei Edeka. Dass Jürgen mittlerweile mit mir bei Aldi aus-und eingeht, hat mich ganz schön viel Überzeugungsarbeit gekostet. Jürgens Familie geht nämlich prinzipiell nicht bei Aldi einkaufen. Und auch Tengelmann, Kaisers und sogar Edeka sind unter deren Niveau. Aber dafür beim Wasser sparen und sich über das Baden aufregen!
    Bei Edeka haben wir jeden Samstag das gleiche Programm. Zuerst schieben wir den Einkaufswagen zum Obst, dann zu den Milchprodukten, Wurstwaren, Naschsachen und ganz zum Schluss zu den Getränken. Ich mag Eistee. Den würde Jürgen niemals trinken, aber bei bestimmten Dingen setze ich mich eben doch durch. Genauso verhält sich das auch mit den Pfandflaschen. Ich würde nie Eistee im Tetrapack kaufen, wenn es ihn auch in Pfandflaschen gibt. Und der Kasten mit den Flaschen gehört hinten auf den Einkaufswagen. Dafür gibt es extra ein Konstrukt, das man ausklappen kann, damit er nicht den ganzen Platz im Wagen wegnimmt oder auf empfindliche Waren drückt. Auf jeden Fall hatten wir unseren wöchentlichen Einkauf gerade hinter uns, schoben den Wagen Richtung Auto, da fragte mich Jürgen plötzlich stirnrunzelnd: »Sag mal, haben wir eigentlich den Eistee bezahlt?«
    »Keine Ahnung. Aber ich denke schon.«
    »Guck mal nach, das müsste dann ja auf dem Kassenbon stehen.«
    Ich zog den Zettel aus meinem Portemonnaie und verkündete: »Ja, haben wir!«
    Noch wochenlang habe ich von diesem Erlebnis gezehrt. Natürlich stand der Eistee nicht auf dem Bon. Noch nie habe ich mich so verwegen gefühlt wie damals, als wir den Kasten in den Kofferraum luden, den Einkaufswagen zurückbrachten und dann ins Auto gestiegen sind. Normalerweise bin nämlich ich immer die, die beschissen wird. Und das Beste ist, dass Jürgen ein paar Tage später Pfandflaschen weggebracht hat, unter anderem auch die aus dem unterschlagenen Kasten. Ich habe also nicht nur Eistee geklaut, ich habe dafür auch noch Geld bekommen. Mann, so ein Geschäft habe ich noch nie gemacht! Und das Allerbeste ist: Jürgen hat sozusagen als Dealer dabei fungiert, ohne einen blassen Schimmer davon gehabt zu haben.
     
    Kurz sehe ich Maja an, die friedlich neben mir schläft. Ich bin mir sicher, dass Alice Schwarzer noch lebt, und muss plötzlich kichern. Wenn du heute jemanden fragst: »Kennst du Alice?«, dann denken doch alle gleich an das blonde, langhaarige Wesen aus der Fernsehwerbung für diese neue Telefongesellschaft.
    Was würde die echte Alice sagen, wenn ich ihr erzählen würde, dass in einer Frauenzeitschrift steht, Frauen würden sich nur auf Sex einlassen, damit sie geheiratet werden?
    Wahrscheinlich würde sie mich streng angucken und mit erhobenem Zeigefinger fragen: »Na, dann fassen Sie sich mal an Ihre eigene Nase, Frau Braun. Wie war das noch gleich mit Ihrer Familientradition?«
    Aber ich habe ja jetzt Lotte. Die Lotte in mir scheint allerdings nicht sehr ausgeprägt zu sein. Aber immerhin ist meine Liste trotzdem mittlerweile ganze sieben Punkte lang. Neben einem Einkauf in einem Sexshop, steht der »gute Sex« ganz oben. Vielleicht hat Maja ja wirklich Recht und ich habe bisher ordentlich was verpasst. Doch wie kriege ich Jürgen dazu, mal etwas Außergewöhnliches mit mir zu tun?
    Danach kritzele ich einen Besuch in einem Schwimmbad auf die Liste. Nachts. Und zwar nackt. Dazu wollten Marie und ihre Freundin mich damals überreden. Erfolglos. Ich war siebzehn Jahre alt und zu feige. Und dann musste ich mir am nächsten Tag Maries glänzende Augen und ihr Grinsen ansehen. Sie hat nie erzählt, was dort genau passiert ist. Aber mich noch tagelang damit aufgezogen, dass ich einfach nicht mutig genug sei. Marie hat schon immer getan, was sie wollte. Und sie hat sich immer genommen, was sie wollte. Das war auch mit den Kerlen so. Sie hat sie einfach angesprochen, während ich stets darauf gewartet habe, angesprochen zu werden. Nun, Jürgen wird mir keine Fragen stellen. Das hat er versprochen. Deswegen werde ich einen wildfremden Mann ansprechen und ihn küssen! Ist doch nix

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