Gefuehlsecht
Taschenlampe bewaffnet, die wir im Kofferraum von Majas alter Klapperkarre gefunden haben. Unsere nächtliche Schwimmbadaktion hat Maja bis ins Detail geplant. Sie hat zwischen unseren Terminen für die letzten Kosmetikbehandlungen die Einstiegsmöglichkeiten und Fluchtwege ausgekundschaftet. Ich durfte bei der Planung nicht dabei sein. Maja will mich überraschen. Die heutige Nacht ist sozusagen das »Eröffnungsgeschenk« für mich, der erste eingelöste Wunsch von meiner Lotte-Liste .
Ich musste Maja versprechen, die dreißig Tage wirklich für mich zu nutzen. Damit ich mir auch ganz sicher bin, wenn ich Jürgen mein Jawort gebe. Dabei sollen die Punkte auf der Liste nur Anhaltspunkte sein. Schließlich ist es meine ganz persönliche Liste, die ich jederzeit im Laufe dieser vier Wochen ändern kann. Vielleicht fällt mir spontan noch etwas ein, vielleicht will ich einen Punkt wieder streichen. Meine Liste soll Spaß machen, mich aber nicht unter Druck setzen.
»Scheiße, die Erde ist eiskalt und nass. Bestimmt frieren auf dem Weg dorthin meine Füße ab.« Aber egal. Ich tapse brav hinter Maja über die feuchte Wiese. »Vielleicht hätten wir doch lieber wenigstens Schuhe anziehen sollen.« Aber auch dieser Einwand kann Maja nicht stoppen. Unbeirrt läuft sie weiter.
»Wir sind gleich da. Zähl mal mit. Das fünfte Kellerfenster von links. Ich habe es nur angelehnt. Hoffentlich hat keiner was gemerkt. Da ist es!« Maja drückt auf den Fensterrahmen, der quietschend auffliegt.
Ich fühle mich wie Thelma oder Louise oder wie Bonnie oder Clyde oder alle auf einmal. Maja springt ins Dunkle hinunter. »Pass auf beim Reinklettern. Unten auf dem Boden stehen irgendwelche alten Kisten. Warte, ich helfe dir.«
In dem Technikraum, der sich genau unter dem Schwimmbad befindet, ist es stockfinster. Wir verharren einen Moment, es ist mucksmäuschenstill. Bis auf einmal mit lautem Getöse die Heizung anspringt.
»Mann, ich wäre eben fast gestorben. Das ist ja kaum zum Aushalten. Fühl mal, sogar die Wände vibrieren. Lass uns schnell sehen, dass wir Land gewinnen. Hier lang.« Majas Stimme klingt etwas heiser vor Aufregung. Zielstrebig zieht sie mich mit sich mit.
Endlich liegt der Pool vor uns. Still und dunkel. Oder besser gesagt, wir stehen still und unheimlich ergriffen vor dem Becken. Wir haben es geschafft.
»Ich habe heute Nachmittag Kerzen hinter den Pflanzkübeln versteckt«, sagt Maja mit gedämpfter Stimme. »Leuchte mal dahin, hoffentlich sind sie noch da.«
Sie sind noch da. Keine Ahnung, wo Maja die wieder aufgetrieben hat. Vielleicht hat sie die aus der Beauty-Oase mitgehen lassen. Sie duften nämlich alle nach Vanille, Zimt oder Zedernholz. Maja zündet die Kerzen der Reihe nach an.
»Du bist eine Heldin«, flüstere ich beeindruckt. »Wow, sieht das schön aus. Ich glaube, ich habe noch nie so was Schönes gesehen.«
So ähnlich muss sich Kleopatra gefühlt haben. Es ist Nacht und wir sind nackt. Vorsichtig tauchen wir unsere Zehen in das warme Wasser. Ich fühle mich unbeschreiblich anmutig und gleichzeitig verwegen, besonders weil ich mich vorhin wirklich noch frisch frisiert habe und jetzt ein neckischer schmaler Streifen meine Scham ziert.
Plopp, der Sektkorken knallt. Plopp, noch einmal.
»Hier, Liebelein«, sagt Maja und reicht mir eine Flasche. »Lass uns anstoßen auf diesen Moment. Der Pool gehört uns. Die Welt gehört uns. Alles ist möglich!«
Wir lassen uns auf dem Rücken liegend im warmen Wasser treiben und tausend Gedanken schwirren mir durch den Kopf. Die Kerzen zaubern ein warmes, flackerndes Licht auf die Fliesen um uns herum. Es duftet ganz zart nach Vanille und Gewürzen. Bis auf ein leises Plätschern hin und wieder im Wasser hört man gar nichts. Sogar Maja, die meistens redet wie ein Wasserfall, hat sich von der Stille einfangen lassen. Was sie wohl gerade denkt? Wahrscheinlich ist sie mit ihren Gedanken bei Victor. Ich denke an Jürgen, schließe meine Augen und versuche, ihn mir im Geiste vorzustellen.
Jürgen sieht, auch objektiv betrachtet, relativ gut aus. Er ist nicht besonders groß, aber immerhin ein paar Zentimeter größer als ich mit meinen 1,67 Meter. Er hat blonde Haare, wie ich, und ein markantes Gesicht mit hellen grauen Augen. Vom Typ her ähnelt er Robert Redford. Ich stehe eigentlich eher auf Typen wie George Clooney oder Hugh Grant und natürlich noch immer auf Robbie Williams, aber das ist im Moment nicht so wichtig. Jürgen hat eine tolle Figur. Er
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