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Gefuehlsecht

Gefuehlsecht

Titel: Gefuehlsecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Russo
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So kann ich ja wirklich nicht arbeiten gehen. Im Grunde kann ich so nie wieder einen Fuß auf die Straße setzen! Und draußen ist es noch nicht kalt genug, um ständig mit einer Kopfbedeckung rumzulaufen. Eigentlich widerstrebt es mir, nicht die Wahrheit zu sagen. Da ich aber meinem Arbeitgeber schlecht erklären kann, dass ich zum Friseur muss und es um Leben und Tod geht, greife ich in diesem Fall doch zu der Notlüge mit den wahnsinnigen Kopfschmerzen, ganz besonders da mein Chef ein Mann ist, und die Sache mit dem Notschnitt niemals verstehen würde.
    Und weil ich finde, dass ich wirklich ganz besonders schlimm aussehe, setze ich vorsorglich meine schwarze Wollmütze auf. Darüber ziehe ich noch meine graue Kapuzenjacke. Es könnte ja doch passieren, dass es ausgerechnet heute anfängt zu schneien. Unerwarteter Temperatursturz! Immerhin haben wir bald Dezember.



12
    Wer braucht schon einen schwulen Friseur, wenn man auch eine Uschi haben kann?
     
    Ich stehe vor Uschis Salon und sehe in den riesigen Spiegel, der im Schaufenster mit viel Gold und Glitter dekoriert ist. Darüber steht quer mit rotem Lippenstift, wahrscheinlich von Uschi höchstpersönlich geschrieben, in großen geschwungenen Buchstaben Trau dich! Ich muss unweigerlich kurz an Jürgen denken. Und daran, dass der liebe Gott einem ja immer mal wieder Zeichen mit auf den Weg gibt. Da wird plötzlich schwungvoll die Tür aufgestoßen und eine Frau mit raspelkurz geschnittenem schwarzem Haar steht vor mir. Ein wenig erinnert sie mich an Demi Moore. Sie stemmt ihre Hände in die Hüften und schiebt ihren Oberkörper, genau genommen ihre runden Brüste, weit nach vorne.
    »Du musst Babsi sein. He, du siehst ja aus wie Rocky Balboa . Ist es so schlimm, dass du nur noch mit Kapuze durch die Gegend rennst?«
    Na, zumindest darin sind Marie und Uschi sich einig. Ich denke wirklich einen kurzen Moment daran, Fersengeld zu geben, denn eigentlich habe ich von meinem ersten Friseurbesuch schon genug. Doch ich habe keine Chance. Sekunden später sitze ich auf einem der Frisierstühle und Uschi wühlt in meinen Haaren. »Da hilft nur eins. Der Vokuhila muss weg. Und? Traust du dich?«
    Ich schaue sie verständnislos an.
    »Das war so extrem nur in den Achtzigerjahren in. Na vorne kurz, hinten lang. Guck mal.« Uschi steht hinter mir und hebt mein Hila nach oben. »Das muss ab. Momentan läufst du mit zwei Frisuren rum, die einfach nicht zusammenpassen.«
    Schnipp! Das war’s. Während Uschi meine Haare kurzschneidet, erfahre ich, dass ich ein wunderschönes Gesicht habe, zu dem kurze Haare sowieso besser passen, weil meine eindrucksvollen Augen dadurch viel besser zur Geltung kommen. Dass mir rauchige Grautöne und Smokey-Eyes gut stehen und Lidschatten in einem tiefen Grün meine Augen noch mehr zum Leuchten bringt. Dass ich eine tolle, ganz liebreizende Schwester habe, und damit meinte sie Marie, und dass ich mir meine Augenbrauen nicht zu stark zupfen, dafür aber meine Wimpern in einem tiefen Dunkelblau färben sollte. Außerdem lässt sie mich wissen, dass meine kleinen Brüste zu mir hervorragend passen, im Gegensatz zu den ihren, die so ganz und gar nicht mit ihrem Körper im Einklang standen, weswegen sie jetzt neue hätte für den Schnäppchenpreis von fünftausend Euro.
    Auf Uschis linker Brust liegt übrigens gerade meine rechte Hand. Die hat sie mit einem »Fühl mal, wie echt!« ganz selbstverständlich darauf platziert. Ich kann gar nicht so schnell denken, dass ich irgendwie reagieren kann. Meine Hand berührt tatsächlich gerade eine Frauenbrust. Eine Silikonfrauenbrust. »Nicht so schüchtern, drück ruhig mal zu, die fühlt sich ganz natürlich an.«
    Und wirklich, Uschis Brust fühlt sich sehr gut an, irgendwie weich und trotzdem fest. Wenn Marie mir nicht vorher erzählt hätte, dass sie aus Silikon ist, würde ich glatt denken, sie sei echt. Sie gehört eindeutig zu Uschi, zu Uschis Körper. Wären sie nur eine »Sache«, dann hätte ich jetzt nicht so ein kribbeliges Gefühl in der Bauchgegend. Ich denke kurz an meine Liste. Darauf steht ganz unten der Sex mit einer Frau.
    Aber da ist Uschi auch schon fertig. Sie hat mir meine Haare geschnitten, neue Strähnchen in einem dunklen Whiskeyton hineingezaubert, die Brauen gezupft, die Wimpern gefärbt und dann noch in den Schminkkasten gegriffen. Von meinem Veilchen ist fast gar nichts mehr zu sehen. Aus dem Spiegel guckt mich mit großen Augen eine fremde Frau an. Es dauert eine Weile, bis ich

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