Gefuehlsecht
begreife, dass das wirklich ich bin. Aus Michelle Pfeiffer, Rod Stewart und Rocky ist eine Art Meg Ryan geworden. Der ewig faszinierende Frauentyp. Kumpelhaft und weiblich zugleich. Dankbar schaue ich Uschi an und vergessen ist ihre Brust, die sich so wunderbar weich angefühlt hat. Ich bin ihr einfach nur unendlich dankbar. Wer braucht schon einen schwulen Friseur, wenn man auch eine Uschi haben kann?
Es gibt Dutzende Theorien darüber, warum Frauen sich die Haare abschneiden lassen. Fast alle sind sich darüber einig, dass sie damit einen neuen Lebensabschnitt beginnen wollen, genauer gesagt, dass sie auch nach au ßen hin demonstrieren wollen, wie es in ihnen aussieht. Ich für meinen Fall finde, dass ich mit den frech in alle Richtungen abstehenden Haaren einfach nur gut aussehe. So gut, dass ich spontan Lust verspüre, in ein Restaurant zu gehen und mir was Schönes zu essen zu bestellen, und zwar ganz alleine!
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Warum den eigenen Mann küssen, wenn ein fremder Kuss doch viel besser schmeckt?
Mit Restaurants ist das ja bekanntlich so eine Sache. Ich habe schon immer diejenigen Gäste bewundert, die mutterseelenallein an einem Tisch sitzen und sich so verhalten, als sei dies das Selbstverständlichste auf der Welt. Ich bekomme immer schon die Krise, wenn ich ein paar Minuten alleine am Tisch sitze, weil Jürgen sich ein klein wenig verspätet hat, was ohnehin nicht oft vorkommt. Dann fühle ich mich sofort genötigt, dem Kellner zu erklären, dass ich nur auf meinen Partner warte, der jeden Moment kommen müsse. Wohl sei ihm irgendwas dazwischengekommen, das kenne er sicherlich auch, denn schließlich sei er ja auch ein Mann. Und kommt Jürgen dann prompt kurz darauf zur Tür herein, fühle ich mich wieder verpflichtet, meiner Umgebung zunickend mitzuteilen: »Da ist er ja.« Und all das nur, damit auch ja niemand denkt, ich könne möglicherweise alleine da oder versetzt worden sein, weil ich eine von denen bin, die keiner haben will.
Aber heute ist das anders. Ich bin direkt von Uschi aus ins Restaurant gefahren. Ich habe Hunger, denn schließlich hat mir Pierres Frisur den Appetit verschlagen und von den zwei Aspirin einmal abgesehen habe ich seit längerem nichts mehr zu mir genommen. Heute bin ich eine von den Lässigen, die ganz selbstverständlich alleine was essen gehen. Schade, dass ich keine Zeitung oder ein Buch dabeihabe. Ich finde, es sieht ungemein intelligent aus, wenn man ganz für sich an einem Tisch sitzt und liest.
Ich verputze ein riesiges Schnitzel mit ordentlich Pommes und Jägersoße. Das habe ich mir schon lange nicht mehr gegönnt! Eigentlich esse ich ja nicht viel Fleisch und wenn dann Geflügel, aber Schnitzel zählt irgendwie nicht. Das darf sogar vom Schwein sein.
Durch die Scheibe beobachte ich die Menschen, die draußen vorbeigehen. Ab und an werfe ich einen Blick in den riesigen Spiegel, der quer über der Bar hängt. Auch objektiv betrachtet sehe ich wirklich gut aus. Wann habe ich das schon mal wirklich von mir behaupten können? Ich habe eine zierliche Figur, wirke aber dennoch weiblich. Trotzdem habe ich jahrelang darunter gelitten, dass ich kaum Busen habe. Besonders wenn Lena und Marie mich deswegen aufzogen. Einmal hat Marie einem Porträtfoto von mir einen ordentlichen Vollbart verpasst und »Barbarossa« daruntergeschrieben. Und das alles nur, weil ursprünglich ein Junge aus mir werden sollte. Mutti hatte uns damals erzählt, dass die Hebamme sie auf die falsche Fährte gesetzt habe. Sie habe ihr gesagt, ein stattlicher Junge wachse in ihrem Bauch heran. Meine Eltern freuten sich wahnsinnig auf ihren Stammhalter, doch daraus wurde ja dann nichts. Anstatt eines strammen Jungen brachte meine Mutter ein zierliches Mädchen zur Welt. Weil meine Mutter während der Schwangerschaft die ganze Zeit davon ausging, dass sie einen Sohn bekäme, sind mir wohl keine Brüste gewachsen. Das hat Marie mir damals erzählt, bevor sie mein Foto verunstaltete. Aber heute ist all das vergessen und ich fühle mich wirklich schön und irgendwie sehr geheimnisvoll. Außerdem habe ich mal in einer Umfrage gelesen, dass Männer einer Sharon Stone hinterhergucken, aber lieber eine Meg Ryan heiraten würden. Ob das auf Jürgen wohl auch zutrifft?
Der aufmerksame Kellner wird mit einem vernünftigen Trinkgeld belohnt. Ich bin fast pleite, obwohl der Monat erst angefangen hat. Und das Beste ist, dass das ganze Geld für Dinge draufgegangen ist, für die ich normalerweise überhaupt kein
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