Gefuehlsecht
sein Penis. Den Spruch »Wie die Nase des Mannes, so sein Hannes«, kann ich also getrost vergessen. Die Hände sind wichtig. Das muss ich bei nächster Gelegenheit unbedingt Maja erzählen. Natürlich habe ich sofort eingehend meine Hände betrachtet und mit einem Lineal nachgemessen. Wäre ich ein Kerl, wäre mein bestes Stück genau 17,8 Zentimeter lang. Natürlich im erigierten Zustand.
Danach habe ich minutenlang vor dem Spiegel gestanden, weil es Männer anscheinend scharfmacht, wenn man beim Trinken die Zunge ein klein wenig herausstreckt und sie an den Rand des Glases oder der Tasse drückt. Sah irgendwie komisch aus, aber wenn es hilft? Immerhin will ich heute einen Mann abschleppen. Deswegen habe ich mich auch nicht zum Essen einladen lassen, sondern mich lieber hier im La Luna mit Bruno verabredet. Sex mit vollem Bauch geht gar nicht. Bei meinem Glück würde es in meiner Leibesmitte nämlich dann die ganze Zeit rumoren und gluckern. Und wenn ich ganz viel Pech hätte, müsste ich zwischendurch vielleicht aufs Klo rennen, weil ich bestimmte Gewürze nicht vertrage. Dafür habe ich mich mit Kokoslotion eingecremt und stundenlang Dessous vor dem Spiegel anprobiert. Ich habe sogar allen Ernstes überlegt, ob ich mir dafür etwas Neues, etwas besonders Neckisches kaufe, habe mich aber dann für sportliche weiße Hotpants mit passendem BH entschieden, weil es mir wichtiger war, dass ich mich wohlfühle, und das Ganze nicht so offensichtlich wirken soll.
Da ich mich am Telefon nicht getraut habe, ihn einfach ganz direkt zu fragen, muss ich Bruno jetzt irgendwie zeigen, dass ich ihn will. Ich lege meine Zungenspitze gekonnt auf dem Rand des Weinglases ab und schaue ihm tief in die Augen. Bruno strahlt mich an. Ich komme mir vor wie eine Idiotin. Wenn ich Pech habe, trägt meine Zunge irgendwelche Lähmungserscheinungen davon, ohne dass Bruno überhaupt was davon mitbekommen hat.
Soll ich es ihm doch einfach sagen? Wie sagt man einem Typen, dass man mit ihm ins Bett will? Aber nur einmal, weil man ja wahrscheinlich einen anderen heiraten wird? Vielleicht sollte ich ihn einfach irgendwie verführen und dann abhauen? Er kennt nur meinen Vornamen und meine Telefonnummer hat er immer noch nicht, da ich natürlich taktisch klug meine Nummer ausgeblendet habe, als ich ihn anrief.
Ich hatte noch nie einen One-Night-Stand. Übersetzt ist das ja ein »einmaliges Gastspiel«. Ob ich einmal Gast in Brunos Bett sein darf? Er scheint wirklich nett zu sein. Und er sieht verdammt gut aus mit seinen braunen Augen, den süßen Lachfältchen, dem dunklen, wuscheligen Haar. Dazu hat er eine angenehme, sonore Stimme. Fasziniert betrachte ich seine großen Hände. Schade, dass ich kein Lineal dabeihabe. Ich muss ein kleines bisschen grinsen und nur zu gerne wüsste ich, ob die Sache mit dem Maßstab tatsächlich stimmt.
Bruno sieht mich fragend an. »Was ist? Warum lachst du?«
Schon wieder werde ich ein wenig rot. »Du hast schöne Hände.«
»Ja, findest du? Ich bin Tischler.«
Wow, ich sitze einem echten Traummann gegenüber. Er baut Möbel. Und nicht nur das! Ich habe ihn geküsst. Und der Kuss hat verdammt gut geschmeckt und das nicht nur wegen des leckeren Pfefferminzgeschmacks. Die Qualität eines Kusses ist vergleichbar mit den Qualitäten, die ein Mann als Liebhaber hat. Behauptet Maja immer. Wenn das stimmt, ist Bruno ein sehr leidenschaftlicher Liebhaber.
Ich will sagen »Schläfst du mit mir?« und frage stattdessen »Wo kommst du her? Du siehst aus, als hättest du etwas Südländisches in dir.«
»Meine Mutter ist Schweizerin, mein Vater ist Italiener.«
Wir unterhalten uns und lachen sehr viel. Die Zeit vergeht wie im Flug. Ich erfahre, dass Bruno der Älteste von vier Söhnen ist und welche Art von Möbeln er baut. Massive Holztische, Stühle, Betten.
Ich überlege einen kurzen Moment, ob ich hier einhake und ihn frage: »Kannst du mir mal eins von deinen Betten vorführen?«, da sagt Bruno schon: »Ich erzähle so viel von mir, du gibst kaum was von dir preis. Du faszinierst mich. Ich habe noch nie eine so mutige Frau wie dich getroffen. Die Sache mit dem Kuss war der Wahnsinn. Erzähl doch mal was von dir.«
»Dass ich Barbara heiße, weißt du ja schon. Manche nennen mich auch Babsi oder Babs. Ich bin alles andere, nur nicht heilig. Ich klaue regelmäßig Eistee, aber das muss absolut unter uns bleiben, weil ich nämlich mal Richterin werden will. Ich studiere Jura und stehe kurz vor den mündlichen
Weitere Kostenlose Bücher