Gefuehlsecht
auf Bruno geworfen zu haben. Süß, er hat sich sofort angeboten, mich zu begleiten. Falls es wirklich zum Schlimmsten kommen sollte. Aber wahrscheinlich hat Maja Liebeskummer. Und da kann ich ja schlecht mit einem Kerl auftauchen. Dafür kann ich ihn jederzeit anrufen, wenn wir doch Hilfe brauchen. Auch mitten in der Nacht. Er lässt sein Handy an. Für mich. Und für meine beste Freundin Maja, die er noch gar nicht kennt.
Ich habe es fast geschafft, die Ausfahrt liegt schon in Sichtweite, da fängt mein Auto plötzlich an zu stottern. Ich trete auf das Gaspedal, doch es zieht nicht mehr. Da fällt mir die leuchtend rote Aufforderung »Bitte tanken!« wieder ein. Gerade noch schaffe ich es bis zur nächsten Ausfahrt. Ich drücke auf die Warnblinkanzeige und lasse das Auto hinunterrollen. Glücklicherweise ist die Ausfahrt abschüssig. Ich versuche ja, immer alles positiv zu sehen. Ist doch irgendwie’ne Leistung, es ohne Benzin fast bis zu Maja zu schaffen und nicht mitten auf der Autobahn stehen zu bleiben. Toll gemacht, Barbara Blond! Ich strecke mir im Rückspiegel die Zunge raus und überlege, ob ich Bruno anrufen soll.
Da hält hinter mir ein dicker blauer BMW und der Fahrer steigt aus. Ich setze mein charmantestes Lächeln auf, obwohl mir gar nicht danach zumute ist.
»Na, kein Benzin mehr?« Der gut aussehende Mann – auch das noch – grinst mich mitfühlend an.
Was antwortet man in einem solchen Moment? Dass die Tankanzeige ganz plötzlich und ohne Vorwarnung und überhaupt nicht nachvollziehbar und wie aus heiterem Himmel ausgefallen ist? Oder dass das unangenehme Piepen seinen Zweck verfehlt und man sich einfach lieber von einer freundlichen Stimme ans Tanken erinnern lassen möchte? Ist doch alles Mist. Also grinse ich frech zurück.
»Jap, alles alle, kein Tropfen mehr drin!«
Sekunden später sitze ich im BMW. Neben einem mir völlig unbekannten Mann. Und das, obwohl ich mal gelernt habe, nie in das Auto eines Fremden zu steigen. Schon gar nicht, wenn es dunkel ist. Wir machen uns auf den Weg zur nächsten Tankstelle. Hoffe ich zumindest.
Mein Retter in der Not guckt mich von der Seite an und sagt: »Ist mir auch schon passiert!«
Irgendwie kann ich das so gar nicht glauben, fühle mich aber dennoch ein kleines bisschen getröstet. Aus den Augenwinkeln beobachte ich den Mann, der entspannt neben mir sitzt und leicht vor sich hinlächelt. Er sieht verdammt gut aus. Und das, obwohl er eine Glatze hat. Er hat ein scharf geschnittenes Profil, zu dem der polierte Schädel einmalig passt. Es gibt eben Männer mit Glatze – und Männer mit Glatze. Ihm steht es auf jeden Fall.
Wie alt er wohl sein mag? Er könnte gut und gerne fünfzig sein. Vielleicht aber auch erst fünfundvierzig. Tiefe Falten ziehen sich durch sein Gesicht. Entweder hat er schon viel erlebt oder er war zu oft im Solarium. Die gebräunte Haut steht im allerdings gut. Wie es sich wohl anfühlt, wenn man über eine Glatze fasst? Ob einem da etwas fehlt, wenn man sich liebt? Ich wühle nämlich gerne dabei in Haaren. Nur bei Jürgen muss ich immer aufpassen, dass ich es nicht übertreibe. Er mag es nicht, wenn ich zu fest in sein Haar greife.
Bruno hing vorhin die ganze Zeit eine einzelne Haarsträhne über dem linken Auge. Ich musste mich beherrschen, ihm sie nicht instinktiv zurückzustreichen. Hätte ich ihm noch länger gegenübergesessen, hätte sich meine Hand mit Sicherheit selbstständig gemacht. Nun gut, das kann dem Herrn neben mir nicht passieren. Er sieht auch ohne Haare wirklich gut aus. Irgendwie wie eine Mischung aus Ben Kingsley und Sean Connery, beide allerdings im fortgeschrittenen Alter. Der junge Connery gefällt mir als James Bond überhaupt nicht. Aber als Richard Löwenherz mit schütterem Haar in Robin Hood war er eine Wucht! Es gibt eben Männer, die werden erst im Alter interessant. Dass ich immer alle Menschen mit Schauspielern vergleiche, ist wohl irgendwie eine Marotte von mir. Manchmal rege ich mich dabei sogar über mich selbst auf. Nämlich dann, wenn mich irgendjemand an einen bestimmten Schauspieler erinnert, mir aber absolut der Name nicht einfällt. Das kann sogar so weit gehen, dass ich deswegen nachts nicht einschlafen kann. Das ist bei dem Herrn hier aber nicht der Fall. Da ist es eindeutig.
»Mein Name ist übrigens Kreischmann, Ben Kreischmann.«
Wow, der Kerl heißt wirklich Ben, das kommt der Sache ja schon ziemlich nahe! »Kreischmann? Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Mein Name
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