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Gefuehlsecht

Gefuehlsecht

Titel: Gefuehlsecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Russo
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das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Viele persönliche Dinge finden wir nicht von Jürgen. Sogar der PC, das ganze Geschirr, die Handtücher und die Bettwäsche gehören komplett mir. Jürgen hat sie nur benutzt.
    Nun sitzen wir auf den Säcken und trinken ein Glas Sekt. Majas Idee. Irgendwie kann ich noch gar nicht wirklich glauben, dass Jürgen auszieht und wir kein Paar mehr sein sollen. Ich komme mir schon wieder vor wie in einem Film. Leider spiele ich darin die Hauptrolle der armen, verlassenen Heldin. Es läuft immer noch »Born to be alive« . Momentan fühle ich mich alles andere, nur nicht lebendig.
    Maja sieht mich aufmunternd an. »Kopf hoch, Liebelein! Sei froh, du wolltest Jürgen doch sowieso nie heiraten. Sonst hättest du direkt Ja gesagt. Und zwar aus tiefstem Herzen. Der war zwar irgendwie ganz nett, aber richtig warm geworden bin ich nie mit ihm. Der passte definitiv nicht zu dir. Ist der totale Spießer.«
    Maja hat Recht. Ich wollte Jürgen gar nicht heiraten. Und vermisst habe ich ihn die letzten zwei Wochen auch nicht. Genau genommen war ich sogar froh, endlich mal meine Ruhe zu haben. Aber da habe ich ja auch noch gedacht, er würde zurückkommen. Dass er mich verlässt, wollte ich ganz bestimmt nicht. Vielleicht kommt er ja zurück? Und dann? Dann hat er Pech gehabt. Ich nehme doch keinen, der mich nicht will. Jürgen hätte mich niemals verlassen dürfen.
     
    Innerhalb von zwei Wochen einen Heiratsantrag zu bekommen und verlassen zu werden, und das von ein und demselben Mann, ist auch irgendwie eine Leistung. Ich versuche ja, immer alles positiv zu sehen. Maja ist weg. Ich habe sie heimgeschickt, denn ich brauche jetzt meine Ruhe. Der Sekt ist alle und ich sitze alleine in meiner Wohnung – als Single. Die schwarzen Müllsäcke wirken auf einmal irgendwie bedrohlich auf mich. Ich habe keine Lust mehr auf fröhliche Songs. Immerhin bin ich verlassen worden. Da habe ich Musik verdient, die meiner Stimmung entspricht. Ich suche mir eine meiner schönsten CDs raus, lege Van Morrison ein. »Have I told you lately that I love you?«
    Unter dem Bett stehen noch Jürgens Hausschuhe. Die haben wir vergessen. Ich will jetzt nicht wieder weinen und versuche den Kloß hinunterzuschlucken, der sich gerade heimtückisch in meinem Hals verdichtet. Warum habe ich nicht doch einfach Ja gesagt? Dann würde jetzt vielleicht schon mein Hochzeitskleid im Kleiderschrank hängen. Im Kleiderschrank, in dem jetzt wieder Platz ist für alle meine Klamotten.
    Irgendwo habe ich mal gelesen, dass man alles mit positiven Gedanken beeinflussen kann, wenn man mit sich selbst spricht. So kann man sogar den eigenen Körper austricksen, weil der nämlich irgendwann glaubt, was das Gehirn so durch die Zellen und Nervenbahnen funkt. Man kann damit Kopfschmerzen heilen, Angst besiegen oder sich einreden, dass man glücklich ist. Und so sage ich mir mit lauter Stimme: »Ich will nicht weinen. Ich bin stark, mutig und unheimlich schön. Ich bin auch ohne Jürgen glücklich. Ich komme gut alleine klar. Ich bin stark, mutig und schön. Ich will nicht weinen. Ich weine nicht.«
    Das Kopfkissen ist schon ganz nass von den vielen Tränen. Es riecht nach Jürgen. Wir haben doch tatsächlich vergessen, es in einen Müllsack zu packen.



27
    Wenn Agatha Christie uns sehen könnte, die würde sich totlachen

    Wir sehen aus wie Miss Marple im Doppelpack auf geheimer Mission, nur dass unsere Köpfe nicht von Hüten, sondern von übergroßen Kopftüchern bedeckt werden. Maja hat sich extra erklären lassen, wie man die Dinger wickelt. Wir sitzen in einem braunen uralten Ford Sierra, eingepackt in lange Wollmäntel und Handschuhe, und warten. Alle paar Minuten müssen wir die Fenster runterkurbeln und frische Luft reinlassen, weil die Scheiben ständig von innen beschlagen. Es ist eisekalt draußen.
    Agatha Christie hätte ihre Freude an uns gehabt. Mir persönlich hat die unübertroffene Margaret Rutherford in der Rolle der Miss Marple immer sehr gut gefallen. Auch sie hätte wahrscheinlich Spaß bis über beide Backen, wenn sie uns jetzt so sehen könnte. Auf dem Armaturenbrett türmen sich Berge von Donuts und wir ziehen uns gerade den zweiten Kaffee rein. Maja scheint eine ganze Starbucks-Filiale leergekauft zu haben. Aber das gehört eben zu einer richtigen Miss-Marple-Tour dazu. Das richtige Outfit und genügend Proviant. Und natürlich die passende Musik.
    Der alte Sierra, den Maja von irgendeinem Freund von Victor

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