Gefuehlsecht
Beifahrersitz fallen.
»Was – oder besser gesagt wer – war das denn?«
»Das war Jürgen. Babsis Freund. Der mit dem Heiratsantrag«, klärt Marie sie auf.
Uschi zieht nur wortlos die Augenbrauen nach oben.
Ja, ist das nicht fürchterlich? Ich suche Bruno und wen treffe ich? Erst meine kleine Schwester, die offenbar ein Faible für Frauen hat, und dann Jürgen, zugeknöpft wie nie zuvor. Wenn das mal nicht eine höhere Bedeutung hat.
»Puppe, irgendwas war da eben faul«, sagt Maja. »Hast du gesehen, wie Jürgen sich in seinem Mantel verkrochen hat, als er dich zu Gesicht bekommen hat? Der war gar nicht freudig überrascht, oder so. He, immerhin will der dich heiraten.«
»Ja, schon irgendwie komisch. Wahrscheinlich war er einfach nur nicht darauf gefasst. Jürgen ist halt kein so überschwänglicher Typ. Und nach der Aktion gestern? Vielleicht war er ja doch noch bei mir?«
»Liebelein, glaub mir, hier stimmt was nicht. Das gestern mit dieser Büromaus war schon der Hammer. Ich bin mal gespannt, was der dir morgen erzählen wird. Ruf mich unbedingt sofort an, wenn er sich gemeldet hat. Versprochen?«
Ich drehe mich zu ihr um und nicke ihr zu. Da hält der Taxifahrer auch schon an. Ich bin als Erste zu Hause, die anderen müssen noch weiterfahren. Als ich schon fast an der Haustür angekommen bin, kurbelt der Taxifahrer das Fenster runter und ruft mir zu: »Mach dir nicht so viele Gedanken, Mädchen. Dein Jürgen wird dir den kleinen Fehltritt mit deiner Freundin schon verzeihen, wenn er dich wirklich liebt.«
Sind Taxifahrer eigentlich immer so indiskret? Oder ist das mit dem Frauensex eben doch eine heimliche Männerfantasie, die alle anturnt, nur meinen Jürgen nicht?
25
Ehrlich gesagt bin ich Meisterin im Verdrängen
Reglos halte ich mein Handy in der Hand und schaue ungläubig auf das Display. Gerade habe ich eine SMS von Jürgen erhalten.
Barbara, ich würde dich gerne sehen.Heute schaffe ich es aber nicht. Können wir uns morgen Abend treffen?
Er hat mich Barbara genannt, ob das ein gutes Zeichen ist? Die dreißig Tage sind noch nicht vorbei. Heute ist erst der dreizehnte Tag nach dem Antrag. Also ist ungefähr erst die Hälfte der Zeit um. Ich bin nicht abergläubisch und die dreizehn ist schon rein aus Prinzip eine meiner Glückszahlen.
Wenn Jürgen sich das »Babsi« verkneift, dann ist die Lage wirklich ernst. Ich meine, der fleißigste Schreiberling war Jürgen ja sowieso nie und seine SMS-Nachrichten waren von jeher immer kurz und informativ. Keine emotional gefärbten Botschaften, keine Liebesschwüre und schon gar keine verfänglichen Angebote wie »Wie sieht es aus? Quickie auf dem Küchentisch?« oder andere nette Botschaften dieser Art. Jürgen benutzt sein Handy, um eben kurz eine Info zu übermitteln. Und in diesem Fall will er mich schlicht und ergreifend sehen. Ohne weitere Begründung. Aber warum nicht heute?
Vielleicht hat meine Mutter doch Recht? Vielleicht geht es Jürgen ja wirklich schlecht? Immerhin hat sie erzählt, wie miserabel er aussah, als er zum Gratulieren vorbeikam. Und gestern Abend machte er irgendwie auch einen kranken Eindruck. Anscheinend leidet er wirklich. War ja auch nicht nett von mir, was ich ihm alles an den Kopf geknallt habe. Vielleicht hat er ja mit seinem Vater Ärger bekommen? Bestimmt hat Natascha gepetzt, die blöde Pute.
Ich krame meine Lotte-Liste aus meiner Kiste hervor. Immer ist darauf noch der eine Punkt offen:
- guten Sex haben
Ich könnte taktisch klug zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Erstens könnte ich Jürgens Antrag annehmen und dann mit ihm den besten Sex meines Lebens haben. Vorausgesetzt er will mich überhaupt noch. Und was ist mit mir? Will ich ihn noch?
Es hilft alles nichts! Ich starre noch immer auf meine Liste, die mich bisher kein bisschen weitergebracht hat, was Jürgens Antrag angeht. Ehrlich gesagt bin ich Meisterin im Verdrängen. Sicherlich will Jürgen morgen Abend eine Antwort.
Auf seinen Vorschlag, uns zu treffen, habe ich geantwortet: Gerne! Morgen um sieben – hier? Für die paar Worte habe ich eine halbe Stunde gebraucht. Es sollte nett, aber nicht zu nett klingen. Als Antwort kam am nächsten Tag: Geht in Ordnung. Bis heute Abend!
Wenn ich nicht wüsste, dass er immer so schreibt, könnte ich glatt denken, er habe absichtlich so unpersönlich geschrieben. Aber ich kenne Jürgen ja jetzt schon lange genug. Trotzdem, irgendwas Nettes zum Schluss wie »Ich freue mich« hätte mich irgendwie
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