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Gefuehlsecht

Gefuehlsecht

Titel: Gefuehlsecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Russo
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Teesorten vor mir auf. Hol dir Kraft , Träum schön , Freu dich , Atme dich frei und Innere Ruhe wandern direkt in meinen Einkaufswagen. Natürlich dürfen auch Japanische und Marokkanische Minze nicht fehlen. Vielleicht kann ich Bruno mit einer Teezeremonie locken und die ätherischen Minzedüfte durch die Luft zu ihm schicken?
    Mein Einkaufswagen wird immer voller. Hier gibt es sogar eine Delikatessenabteilung. Speiseöl aus schwarzen Trüffeln. Trüffel selbst habe ich noch nie gegessen. Die sollen lecker sein auf Bandnudeln. Das Öl für den stolzen Preis von fast vierundzwanzig Euro landet in meinem Einkaufswagen. Man lebt ja schließlich nur einmal und außerdem hat sich das Ausnehmen von Schotte, dem armen Schwein, dann wenigstens gelohnt! Dafür habe ich jetzt lauter Leckereien, die ich mir heute Abend alle auf der Couch genehmigen werde.
    Der Eistee hat seinen Platz im Einkaufswagen gefunden, damit ich erst gar nicht in Versuchung gerate, ihn zu unterschlagen. Ich mache mich auf den Weg zur Kasse, schiebe den Wagen den letzten Gang entlang, biege um die Ecke … und stehe vor Jürgen. Scheiße, hätte es nicht Bruno sein können? Auch das noch! Wieso kommt der Idiot auf die Idee, ausgerechnet hier einkaufen zu gehen? Und das um diese Uhrzeit? Völlig untypisch für Jürgen.
    Ruhig, Barbara, jetzt bloß nicht die Nerven verlieren. Ich könnte so tun, als ob ich Jürgen gar nicht erkannt hätte und den Wagen einfach in den nächsten Gang schieben. Aber wie würde das aussehen? Jürgen hat mir gerade direkt in die Augen geguckt. Definitiv hat der mich gesehen. Doch es macht den Anschein, als hätte Jürgen durch mich hindurchgeblickt. Seelenruhig schiebt er den Wagen in die andere Richtung. Der Feigling tut doch tatsächlich so, als ob er mich nicht wahrgenommen hätte. Augenblicklich macht sich ein Gefühl der Überlegenheit in mir breit. Na warte, du Mistkerl.
    In perfekt überrascht klingender Tonlage rufe ich ihm nach: »Jürgen?«
    Gut so, Jürgen hat es nicht geschafft, sich aus meinem Sichtfeld zu entfernen. Jetzt kann er mich nicht mehr ignorieren. Er dreht sich um.
    »Babsi, was machst du denn hier? Ich habe dich gar nicht gesehen.«
    Schon klar. Wenigstens hat er mich nicht überhört. Jürgen scheint sichtlich irritiert zu sein. Weiter so, Barbara.
    »Wonach sieht es denn deiner Meinung nach aus? Was macht man schon samstags in einem Einkaufszentrum, in dem es in erster Linie Lebensmittel zu kaufen gibt?«
    »Ich meine ja nur, weil du doch sonst immer bei Edeka einkaufen gehst.«
    »Ach so. Hier gibt es interessante Teesorten. Guck mal, die wollte ich unbedingt haben. Hier zum Beispiel, Innere Ruhe , ausgleichende Kräuterteemischung mit Rot- & Honeybush, Harmonie für Körper & Seele. Außerdem wollte ich mir mal was Besonderes leisten. Ich habe nämlich meine Prüfungsergebnisse bekommen. Fünfzehn Punkte.« Das musste ich ihm jetzt einfach unter die Nase reiben.
    »Oh, wie hast du das denn geschafft?«, fragt Jürgen überrascht. »Aber ich freue mich für dich, ehrlich. Ich wollte dich übrigens die ganze Zeit anrufen und dich fragen, wie es dir geht, aber ich hatte so viel um die Ohren. Und außerdem war ich mir nicht sicher, ob du das überhaupt möchtest. Und den Tisch kannst du natürlich gern behalten.«
    Super. Wie seine zeitraubende Hauptbeschäftigung aussieht, weiß ich ja mittlerweile. Sie hat schwarze naturgewellte Haare und eine Figur, bei der sogar Barbie neidisch werden würde. Sie hat sich von der einfachen Bürokraft zur zukünftigen Frau Stankowicz hochgearbeitet, aber wenn sie clever ist, behält sie den Namen De la Soir . Das hört sich nämlich ganz objektiv gesehen viel besser an!
    Wunderbar. Jürgen hatte also zu viel um die Ohren, um sich zu erkundigen, wie es mir geht. Wäre er wenigstens jetzt ehrlich und würde keinen Vorwand suchen, dann würde ich ihm vielleicht sogar verzeihen. Ganz vielleicht. Der Mistkerl hat sich aber nicht mehr bei mir gemeldet. Seit zwei Wochen nicht. Wenigstens hätte er auf meine SMS reagieren können. Und jetzt tut er auch noch so, als würde er sich über meine Note freuen. Dabei wurmt es ihn, dass er viel schlechter abgeschnitten hat als ich. So ein Penner! Eiskalte Wut steigt in mir hoch. Ich bin noch nie verlassen worden. Und ich will nicht, dass Jürgen denkt, ich könnte womöglich wegen ihm leiden.
    Ich schenke Jürgen mein ehrlichstes unehrliches Lächeln. »Wie ich das geschafft habe mit der Eins? Müsstest du doch eigentlich wissen.

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