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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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heruntergekommen. PJ grinste verschmitzt. Und Jesse sah aus, als wollte er gleich abheben. Er lächelte strahlend und schien davon überzeugt, dass ihm die Welt offen stand.
    Und so war es auch gewesen.
    »Mom«, sagte er.
    »Moment mal.« Patsy legte sich das Telefon auf den Bauch und musterte Jesse stirnrunzelnd. »Wieso warst du nicht bei Davids J unggesellenabschied?«
    Mit ausdrucksloser Miene fuhr er zur Treppe und reckte
den Hals. »PJ, komm runter!« Er wandte sich an mich. »Geh nach oben und hol ihn aus dem Bett.«
    Ich warf ihm einen finsteren Blick zu. Das war nicht mein Haus. Und ich ließ mich nicht gern herumkommandieren, auch wenn ich wusste, was ihn diese Bitte kostete, weil sie ihn daran erinnerte, dass er die Treppe seit Jahren nicht mehr hinaufgestiegen war.
    »Ein Abend mit deinem Cousin hätte dich schon nicht umgebracht«, flüsterte Patsy deutlich vernehmbar. »Immerhin hat er dich und Evan eingeladen. Wie stehen wir denn jetzt da?«
    Jesse fuhr herum. »Leg endlich auf!«
    »Schlimm genug, dass ihr beide eure Hochzeit abgesagt habt. Musst du mich jetzt auch noch vor mei ner Schwester blamieren?«
    Er war nicht schnell, aber sie war angetrunken. Bevor sie es sich versah, hatte er ihr das Telefon weggenommen.
    »Tante Deedee, sie ruft dich zurück.« Damit legte er auf.
    Patsy sprang auf. »Jesse, diese Hochzeit ist die größte …«
    »PJ hat gewaltigen Ärger am Hals. Beim nächsten Mal stehe nicht ich vor der Tür, sondern die Polizei.«
    Sie geriet nicht wirklich ins Schwanken, aber ihre ganze Haltung bröckelte. Sie wich seinem Blick aus und suchte ein neues Ziel. Sie landete bei mir.
    »Keine Woche mehr bis zur Trauung. Kannst du nicht dafür sorgen, dass er wenigstens sechs Tage lang an die Familie denkt?«
    »Kennt PJ irgendwelche Mädchen mit einer blauen Strähne im Haar?«, fragte ich sanft.
    »Der hat Dutzende von Freundinnen. Was weiß ich.« Sie hob die Hände. »Das musst du mit ihm selber klären, Jess.«
    »Du hast mir nicht zugehört. Es geht nicht um uns«, sagte er.
    Sie stakste in die Küche und holte eine Karaffe mit Eistee aus dem Kühlschrank. PJ musste erst kürzlich da gewesen sein. Der Pizzakarton, das Corona-Bier und die Tupperware-Dosen mit dem Namen Patrick sprachen eine deutliche Sprache. Patsy kochte eigens für ihn auf Vorrat bestimmte Gerichte, um seine N ahrungsmittelallergien zu bekämpfen. Angeblich hinderten diese ihn nämlich daran, früh auf zustehen, zu lernen oder einer festen Arbeit nachzugehen - wie zum Beispiel seiner Tätigkeit im Tierheim, zu der er wegen Alkohols am Steuer verurteilt worden war.
    »Dad hat ihn irgendwohin gefahren, als ich noch im Bett lag. Keine Ahnung, wo er ist«, sagte sie.
    Sie schenkte sich nach. Ich vermutete, dass in der Karaffe nicht nur Eistee war, aber Wodka - Patsys Lieblingsgetränk - ist geruchsneutral.
    Jesse ließ sie nicht aus den Augen. »Trink nicht so schnell. Bitte.«
    »Sei nicht so ein Moralapostel. Heute ist Samstag.«
    Das saß. Er verlagerte sein Gewicht nach hinten, um zu wenden, und rollte zur Haustür.
    Sie knallte ihr Cocktailglas auf die Küchentheke. »David ist der einzige Sohn meiner Schwester, Jess. Die Feier findet im Country Club statt, und die Kollegen von deinem Onkel fliegen aus New York her, da kannst du doch wenigstens …«
    »Mir egal.«
    Ich lief ihm nach. »Du musst es ihr sagen.«
    »Schätzchen, warte«, rief sie. »Es tut mir leid.« Sie kam uns nach. »Ich hab’s nicht so gemeint, das weißt du doch.«
    An der Stu fe zur Diele kippte er die Vorderräder hoch und
streckte die Hand aus. Der Höhenunterschied war zu groß, als dass er ihn allein hätte bewältigen können. Unter Patsys bedrückten Blicken half ich ihm hinauf.
    Sie blinzelte und wandte den Blick ab. »Wir sehen uns bei der Probe. Einverstanden?«
    Er steuerte die Tür an, aber ich versperrte ihm den Weg.
    »Du bringst die Sache mit Patrick doch in Ord nung, oder?«, fragte seine Mutter.
    Ich verschränkte die Arme. Er musste es ihr sagen. Jesse ließ die Schultern sinken.
    »Nein, das kann ich nicht.« Er wartete, bis sie ihn anschaute. »PJ hat dein Armband mit den Glücks bringern genommen. Es ist bei einer Toten gefunden worden.«
    Sie griff sich an die Kehle. »Wie kannst du so was sagen?«
    »Das Mädchen wurde ermordet. Die Polizei wird herkommen, um ihn zu befragen.«
    »Nein.« Sie wedelte abwehrend mit der Hand. »Tu mir das nicht an.«
    Das Telefon klingelte.
    »Das ist Deedee. Ich muss rangehen«, sagte

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