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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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passierte gerade die Küche, die zu ei nem anderen Flügel des Hauses führte. Nun drehte sie sich um und deutete mit ihrem Eiscremelöffel in die entsprechende Richtung. »Ricky ist in der Sauna.«
    »Ich suche PJ.«
    Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich ab.
    Obwohl sie angezogen war wie ein Fabrikarbeiter, war ihre Haltung die einer Prinzessin. Es war der Schwung ihrer Hüften, das hoheitsvoll erhobene Kinn, der gerade Kleopatra-Pony. Die Welt lag ihr zu Füßen, seit Urzeiten. Sie stand an der Spitze der Karma-Pyramide.
    Als sie in einem Hinterzimmer verschwand, ging ich ihr nach. PJ lümmelte mit dem Rücken zu mir auf der Couch und sah fern. Um die Berggipfel vor dem Fenster jagten Wolken, und das Sonnenlicht malte helle Flecken auf das leuchtende Grün der Hänge.
    »PJ.« Das Mädchen setzte sich auf die Armlehne und
schwang die Füße auf die Polster. »Das war die Klingel. Wieso bist du nicht an die Tür gegangen?«
    Er richtete sich gerade auf. »Tut mir leid, hab ich nicht gehört. Wer war’s?«
    »Die Pizzabotin.« Sie leckte den Löffel ab. »Gib ihr Trinkgeld.«
    Er erhob sich, drehte sich um und fuhr zusammen, als er mich entdeckte. »Hallo.« Er nickte grüßend.
    »Wir müssen reden«, sagte ich.
    PJ wirkte ziemlich mitgenommen. Seine Haut war teigig, das Blau sei ner Augen wirkte verwaschen. Seine Kakihose war tief auf die Hüften gerutscht und zeigte zehn Zentimeter ei ner ausgefransten karierten Boxershorts. Alles an ihm wirkte schmuddelig.
    Das Mädchen musterte ihn mit Schlaf zimmerblick. »Wirst du mir untreu?«
    Er fuhr auf, als hätte sie ihm einen Stromschlag verpasst. »Nein, das ist Jesses Freundin.«
    »Hallo, Jesses Freundin.« Sie ließ sich auf das Sofa gleiten und drückte den Rücken durch, sodass sich die harten Brustwarzen gegen den Stoff pressten. »Ich bin Sin.«
    »›Sin‹ wie Sünde? Mich nennt man ›Versuchung‹. Evan Delaney.«
    Ihr träger Blick richtete sich auf mich, und ihr Mund kräuselte sich zu ei nem Lächeln. »Sinsemilla. Nenn mich Sinsa.«
    »Jimson?«, fragte ich.
    »Da musst du schon in meinem Ausweis nachgucken.«
    »Nicht nötig. Ich habe heute Morgen das Kennzeichen an deinem X5 erkannt. Auf dem Behindertenparkplatz vor Sanchez Marks.«

    Abgrundtiefe schwarze Augen richteten sich auf mich. »Ehrlich?«
    »Du hast dieselbe Rapmusik gespielt. Den Text fandest du so lustig, dass du laut gelacht hast. Die Stelle, wo der Frau mit beiden Händen der Hintern versohlt wird.«
    »Wir hatten gerade einen Freund von mir vom Flughafen abgeholt.« Sie zuckte die Achseln. »Der Parkplatz war frei.«
    »Sonst hättest du dich da auch nicht hinstellen können.«
    »Böses Mädchen.« Sie gab sich einen Klaps auf die Hand. »Hatte meinen Freund echt lange nicht gesehen, deswegen hatten wir es so eilig.« Sie schaufelte noch ei nen Löffel Eiscreme aus der Packung und warf PJ, der sie wie hypnotisiert anstarrte, einen Seitenblick zu. »PJ ist übrigens nicht mein Freund. Aber wir treiben es trotzdem miteinander.«
    Ich fühlte mich wie eine prüde Gouvernante. PJ stieg die Röte ins Gesicht. Sein Fuß zuckte nervös.
    »Würdest du uns bitte entschuldigen?« Ich deutete mit dem Kopf zur Tür. »PJ, nach draußen.«
    Ihm gefiel der Gedanke, in Wind und Wetter hinauszumüssen, gar nicht. Er wischte sich die Nase am Ärmel ab. Offenbar hatte er einen gewaltigen Kater.
    »In mein Auto«, sagte ich.
    Er folgte mir zur Haustür. »Können wir nicht ins Wohnzimmer gehen?«, brüllte er, um die Musik zu übertönen.
    »Ich hab keine Lust, Karen in die Arme zu laufen«, erklärte ich.
    »Die ist einkaufen.«
    Ich schüttelte den Kopf und öffnete die Tür. Drinnen hatten die Wände Ohren. Geduckt rannte PJ durch den Wind zum Explorer, kauerte sich auf den Beifahrersitz und klemmte sich die Hände unter die Achseln, um sie zu wärmen.

    Er blinzelte, als hätte er Sand im Auge. »Alles in Ordnung? Du schaust ziemlich fertig aus.«
    Ich drehte mich zu ihm. »Man hat sie gefunden. Sie wurde bei Jericho Point an den Strand gespült.«
    »Wer?«
    »Lass das, PJ. Ich habe sie vor zwei Stunden in der Leichenhalle g esehen.«
    »In der Leichenhalle.«
    »Sie ist nicht vom Balkon gefallen. Sie wurde ermordet.«
    Er schüttelte den Kopf, als würden sich dadurch seine Gedanken klären. »Wovon redest du?«
    »Von der Party letzte Nacht. Sie wurde erdrosselt und von der Steilküste in die Brandung geworfen.«
    »Party.« Er wich so weit zurück, wie das in Anbetracht des beschränkten

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