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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Tuch zurück.
    Mir entfuhr ein Ausruf des Entsetzens. »Das ist ja furchtbar!«
    Es war nicht meine erste Leiche, aber so etwas hatte ich noch nicht gesehen.
    Angestrengt fixierte ich das vom Sand verklebte blonde Haar mit der blauen Strähne. Die lila Bluse war getrocknet, aber völlig verknittert. Die Haut war grau wie Pergament. Wieder stieg mir der penetrante Geruch in die Nase. Unwillkürlich schaute ich ihr ins Gesicht - und wich entsetzt zurück.
    »Erkennen Sie die Frau, Mr. Blackburn?«, fragte Ms. Aguilar.
    Ich wollte nur noch weg und stieß dabei mit Jesse zusammen. »Aufhören, bitte aufhören!«
    Die Leiche starrte mich an. Mir direkt ins Gesicht glotzten die blutunterlaufenen riesigen Augen, die aus den Höhlen quollen.
    Sie war gertenschlank, hatte makellose Haut, und vom Hals abwärts war ihr Körper perfekt. Älter als einundzwanzig konnte sie nicht gewesen sein. In dem Alter musste ich sehr ähnlich ausgesehen haben. Sandkrabben wuselten durch ihre Mundöffnung.
    Das war die junge Frau, die bei der Party vom Balkon gestürzt war. Sie war garottiert worden. In dem blutigen Brei um ihren Hals schimmerte es metallisch, wo der Draht den
Kopf nahezu abgetrennt hatte. Ihr Gesicht war aufgequollen, und ihre Zunge schob sich wie eine Nacktschnecke durch die geschwollenen Lippen. Die Lichter drehten sich vor meinen Augen. Ich riss die Tür so energisch auf, dass sie gegen die Wand knallte. Um Luft ringend, kämpfte ich mich durch die Lobby in den Wind hinaus.
    Am Auto wartete Nikki, die Thea auf einer Hüfte schaukelte und sich mit Carl unterhielt. Ich stürzte an den beiden vorbei. Carl rief meinen Namen.
    Ich fühlte mich wie besudelt. Der Leichengeruch hatte sich in meine Kleidung gefressen. Ich zog mir das Sweatshirt über den Kopf und warf es auf den Boden. Dann zerrte ich mir Schuhe und Socken von den Füßen und schlüpfte aus der Jogginghose. Schließlich stand ich mit meinen Shorts bibbernd in der Kälte, aber der Gestank hing mir immer noch in der Nase.
    »Miss Delaney«, rief Ms. Aguilar hinter mir her. »Es tut mir leid.«
    Ich tigerte zitternd im Kreis herum. »Und da konnten Sie die Todesursache noch nicht ermitteln? Wo liegt das Problem?«
    »Können Sie mir bitte sagen, ob Sie die Tote erkennen? Eine reine Formalität.«
    »Wo ist Jesse?«
    »Er wollte sich das Gesicht waschen. Die Tote, Miss Delaney.«
    Das Mädchen war nicht vom Balkon gefallen. PJs Geschichte war erlogen.
    »Ich habe sie noch nie gesehen.« Ich setzte mich auf den Gehsteig und legte den Kopf auf die Knie. »Aber ich glaube, ich weiß, wo sie gestorben ist.«

    Während ich eine kur ze Zusammenfassung lieferte, kam Jesse mit aschgrauem Gesicht aus der Leichenhalle. Ms. Aguilar ging zu ihm und sprach kurz mit ihm, bevor sie wieder im Gebäude verschwand. Jesse wechselte ein paar Worte mit den Vincents. Nikki schlug die Hand vor den Mund und wandte sich mit Thea ab, Carl schüttelte den Kopf. Jesse rollte zum Mustang und bedeutete mir mit ei ner Kopfbewegung, ihm zu folgen.
    Ich rappelte mich auf, sammelte meine Klamotten ein und schleppte mich völlig benebelt zum Auto. Jesse versuchte aufzusperren, verfehlte aber immer wieder das Schloss.
    Ich legte meine Hand auf seine. »Ich glaube, ich bin in besserer Verfassung als du. Ich fahre.«
    »Das ist es nicht.« Er ließ die Hand in den Schoß sinken. »Hast du das Bettelarmband mit den Glückbringern gesehen?«
    »Ja. Hat nicht viel genützt, was?«
    Der Wind zerzauste ihm das Haar, als er zu mir aufblickte.
    »Das Armband gehört meiner Mutter.«

7. Kapitel
    Der Motor des Mustangs heulte auf, und Jesse setzte mit quietschenden Reifen zurück. Dieses verflixte Auto.
    Jesse hatte den Mustang meinem Bruder abgekauft, schwarz lackiert und auf Handbedienung umgerüstet. Brians Aufkleber am Stoß fänger hatte er behalten: Mein Zweitauto ist eine F/A-18. Das Ding war die personifizierte Aggression mit V-8-Motor.
    Ich schnallte mich an. »Bist du dir mit dem Armband ganz sicher?«
    »Das Xi habe ich ihr aus Peking mitgebracht, das vierblättrige Kleeblatt aus Dublin, den Koala aus Sydney. Das sind alles Souvenirs von mei nen Reisen zu Wettkämpfen mit der nationalen Schwimmmannschaft.« Er riss das Lenkrad herum und holperte auf die Straße. »Der Delfin war ein Geburtstagsgeschenk von PJ.«
    »Hast du das Ms. Aguilar gesagt?«
    »Mir blieb nichts anderes übrig.«
    »Weißt du, wer das Mädchen ist?«
    »Nein.« Er bog in die Hollister Avenue und ließ den Motor aufheulen.

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