Gefürchtet
sie und verschwand ohne ein weiteres Wort im Gang.
Die Reaktion ließ länger auf sich warten, als ich vermutet hatte, nämlich ganze zwanzig Minuten. Als ich aus dem Tierheim trat, wo die Hunde eine ganze Sonate kläfften, hing Jesse am Telefon. Der Wind kräuselte die zinngrauen Pfützen. Ich stieg ins Auto und schüttelte den Kopf. PJ war nicht da.
»Das sind ganz bestimmt keine Psychospielchen. Die Sache ist extrem ernst, und wenn sie …« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Nein, Dad. Ich kann es nicht ändern, wenn … Von mir aus. Ja. Sobald ich kann.«
Er legte auf. »Ich muss noch mal zu meinen Eltern.«
Er ließ den Wagen an. »PJ ist bei den Jimsons. Kannst du hinfahren? Wir müssen mit ihm sprechen, bevor Mom durchdreht und ihn alle zwei Minuten anruft. Dann setzt er sich nämlich mit Sicherheit ab.«
Wenn Patsy ordentlich getankt hatte, war sie unberechenbar. Also musste ich jetzt eine erneute Konfrontation mit der eisernen Elfe riskieren.
»Wird gemacht.«
Jesse warf mir ei nen Seitenblick zu. »Lass dich nicht ins Bockshorn jagen.«
»Werd ich nicht.«
Das war gelogen, aber irgendwie musste ich die Wahrheit aus PJ herausquetschen.
Santa Barbara bildet sich ein, dem Sündenfall entgangen zu sein. So steht es zumindest auf den Autoaufklebern: Willkommen im Paradies. Alles dient uns als Beweis dafür - die Sonne, die Strände, die relativ seltenen Bandenkriege. Und natürlich unsere Prominenten.
Von Hollywood aus sind wir di rekt über den Freeway zu erreichen. Deswegen landen hier ständig Stars auf der Flucht aus L.A. Wie Weltraummüll. Für uns ist das die Bestätigung dafür, wie cool wir sind. Wenn wir ei nen Oscar-Preisträger in La Super-Rica Wraps essen sehen, haben wir danach wochenlang Oberwasser.
Montecito ist ein trendiger Vorort, der sich gern dörflich gibt. Hier leben die meisten Promis, und die Ansprüche sind hoch. Es ist ein ruhiges, grünes Viertel. Die alteingesessenen Familien haben es nicht nötig, ihren Reichtum zu zeigen, und die Rockgrößen halten sich zurück. Wer ein Haus
hat, das von der Straße aus noch zu erspähen ist, kann sich Montecito eigentlich nicht leisten. Jesse lebt zwar auch hier, aber in dem Teil, den die Surfer Baja nennen - unten an der Küste, wo es neblig ist und um Mitternacht der Zug pfeift.
Dagegen hatte Karen Jimson für ihre Familie ein Anwesen im spanischen Stil mit Pool, Tennisplatz, Fitnesscenter inklusive Sauna und japanischem Steingarten erworben. Die Villa nannte sich Green Dragons, ein Slangausdruck für den Gemeinen Stechapfel oder Jimson Weed.
Als ich der gewundenen Einfahrt zum Haus folgte, brach goldenes Sonnenlicht durch die grauen Wolken. Vor der Garage parkte der BMW-Geländewagen mit dem JMSNWD-Kennzeichen, den ich am Morgen vor Sanchez Marks gesehen hatte. Über dem Haus mit den creme farben verputzten Lehmziegelwänden wölbten sich Eichen. Drinnen dröhnte Musik. Ich klingelte und bereitete mich geistig darauf vor, Karen g egenüberzutreten.
Als sich die Tür öffnete, ging Gangsta Rap auf mich nieder wie ein Kugelhagel. Eine junge Frau Anfang zwanzig stand in der Tür. Sie war zierlich wie Karen, hatte aber langes, blauschwarzes Haar. Das Sonnenlicht glitzerte auf ihren silbernen Ohrringen und Armbändern und den Ösen ihrer stahlkappenbewehrten Caterpillar-Stiefel. In ihrer N ase funkelte ein D iamantstecker.
Sie warf den Kopf zur Seite, was ich als Aufforderung begriff einzutreten.
Sie trug eine Army-Hose und ein geripptes weißes Unterhemd. Offenbar war ihr kalt, denn die Brustwarzen zeichneten sich unter dem eng anliegenden Stoff deutlich ab. Kein Wunder: Sie aß Ben-and-Jerry-Eiscreme direkt aus der Packung und schleckte gerade an ei nem Riesenlöffel Schokoeis.
Vermutlich hatte ich die Ehre mit der Tochter der Jimsons. Wortlos wandte sie sich ab und schlenderte davon.
Nach ein paar Sekunden wurde mir klar, dass sie nicht zurückkommen würde. Also folgte ich ihr ins Haus.
In der Eingangshalle hingen Rickys goldene Schallplatten in langen Reihen an den Wänden. Links von mir öffnete sich ein hallenartiges Wohnzimmer mit Ledermöbeln und zwei Meter hohen Kakteen. Über dem Kamin hing ein Originalgemälde von Georgia O’Keeffe. Eine weiße, trompetenartige Blüte, hinter der sich grüne Blätter kräuselten, füllte die Leinwand. Jimson Weed - der Gemeine Stechapfel.
Die Rapmusik ließ den Boden vibrieren, aber die junge Frau marschierte ungerührt weiter.
»Entschuldigung«, rief ich.
Sie
Weitere Kostenlose Bücher