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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Gerichtsgebäude schimmerte strahlend weiß vor dem blauen Himmel. Mein Handy klingelte, kaum dass ich es eingeschaltet hatte. Es war Ted Gaines.

    »Ich muss Ihnen etwas zeigen.«
    Ich verabredete mich mit ihm in einem Café gegenüber dem Gericht. Als er hereinkam, saß ich bereits an einem Tisch und trank Kaffee. Er wirkte völlig ausgebrannt. Graue Bartstoppeln bedeckten seine Wangen, und sein maßgeschneidertes Hemd stank nach Schweiß.
    »Ich will Ihnen zeigen, was dieser Kerl auf dem Gewissen hat«, sagte er, stellte seinen Aktenkoffer auf den Tisch und öffnete ihn. Er war bis zum Platzen gefüllt mit Erinnerungen an Brittany - ein bedrückender Anblick. Gaines reichte mir ein Fotoalbum.
    »Das war ihr Traum«, erklärte er. »Das hätte aus ihr werden können.«
    Das Album war voller Fotos von Brittany bei Auftritten mit örtlichen Theatergruppen, dem College-Chor oder Amateurbands. Sie wirkte schüchtern, fast ängstlich, als hätte sie Angst, dass jemand sie dabei ertappte, wie sie die Rocksängerin spielte. Gaines musterte mich erwartungsvoll.
    »Ich komme aus kleinen Verhältnissen«, erklärte er mir. »Mein Geld habe ich mit Autoteilen verdient, aber Brittany wollte immer nur singen. Und als Vater steht man natürlich zweihundertprozentig hinter seiner Tochter.«
    Ich blätterte um und stieß auf Bilder, die bei den Aufnahmen zu Rock House abseits der Bühne geschossen worden waren: Brittany mit dem Moderator, mit anderen Teilnehmern und wie sie sich die Daumen drückte, bevor sie auf die Bühne ging. Einige Fotos zeigten sie mit Shaun Kutner. Sie schien sich unter seinen Arm zu ducken, schaute zu ihm auf, quetschte sich an den Rand des Bildes.
    »Sie haben ihr Andenken besudelt«, sagte Gaines. »Sie haben der Polizei erzählt, sie wäre eine Betrügerin.«

    »Das brauchte ich denen gar nicht zu erzählen. Hören Sie, es tut mir leid, aber …«
    »Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, aber ich scheiß auf die Kreditkarten. Die hat ihr jemand untergejubelt.«
    Offenbar war jedes Gespräch sinnlos. »Mr. Gaines …«
    »Mein Mädchen war keine Betrügerin. Ist das klar?«
    Er zog eine CD aus sei nem Aktenkoffer. »Das hier war mein Mädchen.« Er drückte mir die Disk in die Hand. »Hören Sie sich das an, damit Sie kapieren, was für ein großes Herz meine Kleine hatte.«
    Ich starrte auf die CD. »Eine Demo?«
    »Dabei wird es jetzt bleiben. An die Plattenfirmen brauchen wir die Aufnahmen ja nicht mehr zu schicken.« Seine Augen waren gerötet. »Hören Sie sich die Songs an. Sie werden sehen, dass Brittany ganz anders war.«
     
    Auf der Heimfahrt spielte ich die CD auf der Auto-Stereoanlage. Als die zarte Stimme aus den Lautsprechern drang, musste ich anhalten.
    Das war also Brittany Gaines. Verhaucht, scheu, voller Hoffnung. Die düsteren Songs wollten nicht recht zu ihrer sonnigen Stimme passen. Ich konnte ihre Anwesenheit geradezu körperlich spüren. Das Foto auf dem CD-Cover war von einem Profi aufgenommen. Beleuchtung, Frisur, Make-up und Kleidung - alles stimmte. Das musste viel Geld gekostet haben. Sie hatte dafür bezahlt, gut auszusehen, aber es hatte ihr nichts gebracht. Wie so vielen anderen unentdeckten Talenten. Es war unglaublich traurig.
    Sämtliche Stücke stammten von Sinsemilla Jimson und waren von ihr produziert worden.
    Wie viel hatte Brittany Sinsa dafür bezahlt? Besser gesagt,
wie viel hatten Ted Gaines und ich dafür hingelegt? Im Geiste erstellte ich ein klei nes Diagramm. Sinsa - Shaun - Brittany - PJ. Die glorreichen Vier. Mit meinem Namen und dem Geld anderer Leute hatten sie sich ihre Träume von der großen Karriere erfüllen wollen.
    Zu Hause zog ich die Post aus dem Briefkasten und durchstöberte sie auf dem Weg durch den Garten. Rechnungen, Illustrierte und - ein Schreiben von einem Kreditkarteninstitut, auf dem in roten Lettern »LETZTE MAHNUNG« prangte. Ich riss den Umschlag auf.
    Super. Evan Delaney hatte sich ein Luxuswochenende in San Francisco gegönnt, war im Fairmont Hotel abgestiegen und hatte bei Prada und Tiffany eingekauft. Das war die Traumreise schlechthin: Die Rechnung wurde einem serviert, ohne dass man überhaupt das Haus verließ. Und das war erst der Anfang. Ich marschierte nach drinnen und warf meinen Rucksack auf den Schreibtisch. Meine Sympathie für Brittany schmolz dahin. Ted Gaines’ geliebtes kleines Mädchen mit der dünnen Stimme und den großen Ambitionen hatte erschwindelte Kreditkarten bei sich gehabt, und es gab nicht den

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