Gefürchtet
nie begegnet, haben nie auch nur ein Wort miteinander gewechselt. Ich habe sie nur ein einziges Mal in meinem Leben gesehen, und das war in der Leichenhalle.«
Zelinski trat zum Tisch. »Komisch. Ihre Mitbewohnerin sagt nämlich, sie wären zweimal innerhalb von vierundzwanzig Stunden bei ihrem Apartment gewesen.«
»War ich auch. Beim ersten Mal …«
»Und beim zweiten Mal wurden Sie einem Besucher gegenüber g ewalttätig.«
»Sie meinen Shaun Kutner? Schwitze-Shaun. Das ist doch Schwachsinn.«
»Die Frau sprach von ei ner Auseinandersetzung zwischen Ihnen, Mr. Kutner und Jesse Blackburn. Brittany Gaines’ Vater war gezwungen einzugreifen. Ist das korrekt?«
»Nein, das ist nicht korrekt.«
Zelinski rieb sich mit dem Finger die Nase. »Ted Gaines musste sich nicht einschalten, um die Schlägerei zu beenden?«
»Es gab kei ne Schlägerei. Shaun Kutner hat Jesse völlig grundlos angegriffen und zu Boden geworfen.«
Er stutzte und versuchte, diese Informationen einzuordnen. »Ich will ja gern glauben, dass Mr. Blackburn wehrlos ist, aber das gilt wohl kaum für Sie. Mr. Kutner hat einen Kreuzbandriss.«
Juhu! Ich legte die Hände flach auf den Tisch, damit ich nicht aus Versehen applaudierte oder das Siegeszeichen machte. Das wäre bestimmt nicht gut angekommen.
»Haben Sie Brittany Gaines getötet?«, fragte Rodriguez.
Die Kopfschmerzen wurden schlagartig unerträglich. Die Leuchtstoffröhren summten und verströmten ein unangenehm grelles Licht.
»Nein.«
»Haben Sie ihre Ermordung gemeinsam mit PJ Blackburn geplant?«
»Nein.«
Zelinski setzte sich. »Jetzt werde ich Ihnen mal sagen, wie wir das Ganze sehen. Sie erschaffen sich eine Doppelgängerin und stellen sich selbst als Opfer eines Identitätsbetrugs dar.«
»Nein.«
»Sie nutzen die Tatsache, dass Ihnen im Sommer die Brieftasche gestohlen wurde. Leider gerät die Aktion außer Kontrolle. PJ überlässt seiner Freundin mehr Kreditkarten als vereinbart. Vielleicht ist sie auch kaufsüchtig und kann sich nicht beherrschen. Auf jeden Fall gibt Brittany zu viel aus und droht damit, Sie und PJ anzuzeigen, falls Sie versuchen, ihren Einkäufen einen Riegel vorzuschieben. Also bringen Sie das Mädchen gemeinsam um und werfen die Leiche vom Balkon ins Wasser.«
»Nein.«
Zelinski stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Um den Mord zu vertuschen, melden Sie einen Unfall. Ihnen ist klar, dass die Leiche in dem Sturm unmöglich zu finden ist, aber Sie stehen nun fraglos gut da.«
»Nein.«
Rodriguez strich sich über den Strubbelkopf. »Was wissen Sie über Gitarren?«
Ich starrte sie verblüfft an.
»Wussten Sie, dass jede Saite ein anderes Gewicht hat? Wie ich heute gelernt habe, ist die untere E-Saite die schwerste.«
Sie schlug eine neue Seite in ihrem Ordner auf. Es war ein Foto von Brittanys Leiche: eine Großaufnahme des Drahts, der ihr die Kehle durchtrennt hatte. Ich wandte den Kopf ab.
»Wir haben PJ Blackburns Gitarre am Strand unterhalb vom Del Playa House gefunden. Eine Fender Stratocaster. Der Hals war gebrochen, und die Saiten hatten sich gelöst. Die untere E-Saite fehlte.«
Sie warf das Foto aus der Leichenhalle auf den Tisch.
»Das hier ist sie. Custom Gauge String der Marke Willie
Johnson mit Nickelwicklung. Damit ist das Mädchen erdrosselt worden.«
Ich versuchte, den Stuhl zurückzuschieben, um dem Bild auszuweichen, aber er war am Boden festgeschraubt. Mir platzte fast der Schädel.
»Sie wissen doch: Wer seine Spuren verwischen will, darf nicht improvisieren. Das funktioniert einfach nicht«, sagte Rodriguez.
»Sie sind völlig auf dem Holzweg«, erwiderte ich.
Zelinski beugte sich zu mir. »Diesmal sind Sie dran.«
Es klopfte an der Tür. Ein Beamter steckte den Kopf herein.
»Die Anwältin ist hier.«
Ich hatte gehofft, Jesse würde kommen, aber es war Lavonne Marks.
»Wurde gegen Ms. Delaney Anklage erhoben?«, fragte sie.
»Wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt«, behauptete Zelinski.
»Sparen Sie sich Ihre Spielchen, Detective.« Sie fixierte Rodriguez. »Sonst noch was?«
»Das wird noch geklärt.«
»Also nein.«
»Für den Augenblick wird kei ne Anklage erhoben. Aber sie ist eine wichtige Zeugin im Fall Brittany Gaines, und es besteht zumindest ein Anfangsverdacht gegen sie.«
»Das ist doch reine Spekulation. Ohne dringenden Tatverdacht gibt es keinen Grund, sie festzuhalten.«
Damit war die Sache gegessen.
»Gehen wir, Evan«, sagte Lavonne zu mir.
Zelinski erhob sich. »Wegen des
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