Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
Konferenztisch spitzten die Ohren. Der an der Stirnseite sitzende Rojas stand auf und sagte: »Ich stehe gerade in direkten Verhandlungen mit den Herstellern, und ich verspreche Ihnen, dass Ihre Boni beträchtlich steigen werden.«
Sie zuckten ungläubig die Achseln. Aber Rojas hielt sein Wort. Von überall her erreichten ihn jetzt Anrufe und E-Mails, in denen sie sich tausendfach bedankten.
Ein Manager meinte sogar, dass »Señor Rojas offensichtlich einen Zaubertresor besitzt, der mit Zaubergeld gefüllt ist, das Leben rettet und den Bestand von Familien und Schulen sichert«.
Diese eigentlich spaßig gemeinte Bemerkung traf in Wirklichkeit voll ins Schwarze. Der Tresorraum in seinem Landhaus in Cuernavaca direkt vor den Toren von Mexico City war tatsächlich vom Boden bis zur Decke mit Dollars und Pesos gefüllt. Ein Geldstapel stand ne ben dem andern. Millionen und Abermillionen, die durch die Netzwerke und Strohfirmen sauber gewa schen und auf Überseekonten deponiert werden würden. Darüber hinaus würden sie Rojas’ legale Unternehmen, seine Handelsketten, Restaurants, Zigarettenfabriken und Telekomfirmen stärken und unterstützen.
Dies alles war wegen des einzigen Geschäftszweigs möglich, der wirtschaftlich schlechte Zeiten nicht nur mühelos überstand, sondern in diesen sogar aufblühte: des Drogenhandels. Manchmal wünschte sich Rojas, er könnte dieses Geschäftsfeld aufgeben, mit dessen Hilfe er sein Imperium aufgebaut hatte. Er hatte wirklich alles unternommen, um seine Identität und seine Rolle im Kartell geheim zu halten. Weder seine Frau noch sein Sohn erfuhren je etwas über das Juárez-Kartell und wie Rojas in seinem letzten Studienjahr zu diesem Geschäft gekommen war.
Rojas hatte damals einen Doktoranden namens Enrique Juárez kennengelernt, den seine Kollegen und Professoren für ein Genie auf dem Gebiet der rekombinanten DNA -Technologie und des Insulinherstellungsprozesses hielten. Juárez wollte in Mexiko ein Pharmaunternehmen gründen, um von den niedrigen Arbeitskosten zu profitieren. Rojas war von dessen Geschäftsidee so beeindruckt, dass er einen großen Teil seiner bisherigen Ersparnisse (fast 20 000 Dollar) investierte, um Teilhaber dieser Firma zu werden. Die Produktionsstätte der Firma GA Lab (Genetics Acuña) lag in Ciudad Acuña, einer Stadt mit 209 000 Einwohnern an den Ufern des Rio Grande, südlich von Del Rio, Texas. Juárez hatte seinem Partner den Herstellungsprozess ausführlich erläutert. In Mexiko sollte die A-Kette mit 21 Aminosäuren und die B-Kette mit 30 Am inosäuren hergestellt werden, die man für die künstliche Synthese von Humaninsulin benötigte.
Die beiden Substanzen mit den A- und B-Aminosäureketten wurden dann in das GA-Werk in den Vereinigten Staaten geschafft, wo sie mit molekularchirurgischen Methoden und der Hilfe spezieller Enzyme zu ringförmigen DNA -Strängen, den sogenannten Plas miden, zusammengefügt wurden, die für den nächsten Schritt im Insulinherstellungsprozess benötigt wurden.
Die Idee erwies sich als überaus profitabel, und die Firma konnte sich bald vor Aufträgen nicht mehr retten. In den nächsten fünf Jahren genehmigten sich sowohl Rojas als auch Juárez sechsstellige Gehälter. Rojas begriff schnell den Vorteil, ein Pharmaunternehmen als legale Fassade zu besitzen, und stellte Leute ein, die hinter Juárez’ Rücken Schwarzmarktversionen solch bekannter Arzneimittel wie Dilaudid, Vicodin, Percocet und Oxycontin produzierten, die der Firma noch mehr Geld einbrachten als die Insulinherstellung.
An einem Freitagabend schaute Juárez während eines langen Abendessens voller hitziger Diskussionen Rojas durch seine dicken Brillengläser an und sagte: »Jorge, ich mag die Richtung nicht, in die du unsere Firma lenkst. Hier steht zu viel auf dem Spiel. Es ist mir egal, wie viel wir mit diesen Schwarzmarktmedikamenten verdienen können. Wenn das auffliegt, verlieren wir alles.«
»Ich weiß, was du sagen willst. Deshalb bin ich auch bereit, dir deinen Teil am Unternehmen abzukaufen. Du kannst dann mit dem Geld ein neues Projekt starten. Ich werde dir ein großzügiges Angebot machen. Ich möchte, dass wir in Freundschaft auseinandergehen. Wir haben das hier mit einigen großen Ideen und vielen Gebeten begonnen. Ich möchte dir deshalb die Freiheit geben, ganz neue Wege zu gehen.«
»Aber ich habe dieses Unternehmen doch gegründet. Es war von Anfang an mein geistiges Kind. Das weißt du. Ich werde es dir gewiss nicht
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