Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
politischen und militärischen Führer der kolumbianischen Unabhängigkeitsbewegung, dessen Haus einst genau an dieser Stelle gestanden hatte. Vier Doppelsäulen trugen den prächtigen Eingangsgiebel des Palastes. Als Rojas dieses großartige Gebäude betrat, das in seiner Gesamtheit ein Kunstwerk war, ging ihm durch den Kopf, dass es bestimmt schön wäre, in einem Haus mit so viel Geschichte und Tradition zu leben. Direkt hinter ihm kam Jeff Campbell. Präsident Tomás Rodriguez erwartete sie bereits und strahlte sie an. Er hatte einen dicken dunkelbraunen Haarschopf und trug einen schwarzen Anzug, ein weißes Smokinghemd und eine goldene Seidenkrawatte, die Rojas sogleich faszinierte. Er hatte noch nie einen solch glatten und glänzenden Stoff gesehen und nahm sich vor, den Präsidenten nach der Herkunft des Materials zu fragen.
Die Begrüßung war kurz, aber herzlich. Der Präsident schüttelte Rojas und Campbell die Hand. Dann umarmte er Rojas und klopfte ihm auf die Schulter. »Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen, mein Freund.«
»Ich möchte mich für unsere Verspätung entschuldi gen«, sagte Rojas, »aber nach dem, was kürzlich auf dem Pariser Flughafen passiert ist, dauerten die Einreiseformalitäten fast drei Stunden.«
»Kein Problem«, sagte Rodriguez. »Wir unterhalten uns am besten in der Bibliothek. Ich ziehe mich sowieso nicht vor zehn Uhr zurück, also haben wir eine Menge Zeit. Wir können auch das Observatorium besuchen, wenn es nicht zu kalt ist. Sie haben mir sicher viel über Ihre hiesigen Unternehmungen zu erzählen. Ich werde wohl mehr über Petroleum, Kaffee und Kohle erfahren, als ich jemals wissen wollte … Vor allem sollten Sie mir versichern, dass unsere gemeinsamen Geschäfte viel besser laufen als bei unserem letzten Gespräch.«
»Ja, das tun sie«, sagte Rojas in aufgeräumtem Ton.
Der Präsident setzte sich in Bewegung.
Campbell schaute Rojas an und grinste. »Das ist unglaublich.«
»Gewiss«, sagte Rojas. Dann fügte er flüsternd hinzu: »Und am Ende hast du einen Regierungsvertrag, glaube mir.«
»Ausgezeichnet«, erwiderte Campbell und schnappte vor Aufregung nach Luft.
Sie durchquerten das Eingangsfoyer, an dessen Wänden kostbare Gemälde hingen, darunter auch einige Porträts von Antonio Nariño. Die fein ziselierten Möbel stücke mussten mehrere Hundert Jahre alt sein. Angesichts dieser historischen Pracht zeigte Rojas inzwischen keinerlei Regung mehr, aber er beobachtete mit Vergnügen, wie Campbells Augen immer größer wurden, je mehr er von diesem Palast zu sehen bekam.
Sein Handy vibrierte. Es war eine SMS von Fernando Castillo: Ich bin jetzt bei Ballesteros.
Rojas nickte innerlich. Ballesteros hatte eine harte Zeit hinter sich, und Rojas war froh, dass sie jetzt ihrem loyalen Lieferanten in seinem eigenen Land helfen konnten. Ballesteros’ Feinde würden bald den grimmigen Zorn des Juárez-Kartells zu spüren bekommen.
FARC -Basislager
Irgendwo im Dschungel
In der Nähe von Bogotá, Kolumbien
O berst Julio Dios von den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens, der größten und ältesten Guerillaorganisation auf dem amerikanischen Doppelkontinent, ließ sich auf die Pritsche in seinem Zelt fallen. Heute war sein fünfzigster Geburtstag und er hatte den ganzen Tag mit seinen Männern getrunken und gefeiert. Eigentlich war das Wort Männer in diesem Fall unangebracht. Die meisten waren in Wirklichkeit Jungs von nicht einmal achtzehn , einige waren sogar erst vierzehn oder fünfzehn Jahre alt. Er hatte sie jedoch gut ausgebildet, und sie waren ihm absolut treu ergeben. Im Moment war ihre Aufgabe, aus den Kokainproduzenten noch mehr Geld herauszupressen, mit dem sie dann ihre Truppe vergrößern und besser ausrüsten konnten. Zwar waren sie im Moment noch nicht zu einem Militärputsch gegen die kolumbianische Regierung fähig, aber Dios spekulierte darauf, dass die FARC in einigen Jahren einen Aufstand anzetteln und einen entscheidenden Sieg erringen könnte. Sie würden am Ende den korrupten Präsiden ten und sein infames Regime stürzen. Vorerst würden sie jedoch ihre Einkünfte erhöhen, indem sie die Drogenproduzenten mit hohen »Steuern« belegten. Vor allem mit einem Produzenten, Juan Ramón Ballesteros, hatte er vor einiger Zeit ein Zweckbündnis auf Zeit geschlossen. Obwohl die FARC sich niemals an der tatsächlichen Produktion und dem eigentlichen Transport des Kokains beteiligte, bot sie Ballesteros den bewaffneten Schutz, den er
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