Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
einfach so überlassen. Wir waren Partner, aber du hast mich zu diesen illegalen Geschäften kein einziges Mal konsultiert. Du hast mich hintergangen. Ich traue dir nicht mehr.«
Rojas erstarrte. »Ohne mein Geld wärst du gar nichts.«
»Ich werde dir die Firma nicht verkaufen. Ich bitte dich nur, nicht mehr alles mit illegalen Produkten aufs Spiel zu setzen.«
»Ich rate dir dringend, mein Angebot anzunehmen.«
»Nein, das werde ich auf keinen Fall.« Juárez stand auf, wischte sich den Mund ab und stürmte aus dem Raum.
Am nächsten Morgen wollte er alle Wissenschaftler und Laboranten feuern, die Rojas angeheuert hatte.
Rojas forderte ihn auf, sich eine Woche freizunehmen und in der Schweiz Ski fahren zu gehen. Er könne offensichtlich nicht mehr klar denken. Juárez gab dem Druck schließlich nach und fuhr in Urlaub. Betrüblicherweise starb er dort bei einem schrecklichen Ski-»Unfall«. Sein Geld und seinen gesamten Besitz erbte seine bejahrte Mutter, die unverzüglich mit Rojas einen für diesen äußerst günstigen Handel abschloss.
Das Juárez-Kartell hieß natürlich nach der Stadt, von der aus es seine meisten Geschäfte führte und organisierte. Trotzdem war es irgendwie ironisch, dass der Mann, der für sein Entstehen eigentlich verantwortlich war, den gleichen Namen trug. Rojas hatte also mit einem kleinen Pharmaunternehmen angefangen und danach seine Tätigkeiten auf weitere Geschäftszweige vor allem illegaler Art wie etwa den Drogenhandel ausgeweitet. Mit den Gewinnen gründete er legale Unternehmen, in denen er sein Geld waschen konnte. Gleichzeitig kaufte er vor allem in den bevölkerungsreichsten Städten Mexikos riesige Grundstücksflächen auf.
Er erkannte, dass der schnellste Einstieg in neue Geschäftsfelder der Aufkauf von Unternehmen war, die auf dem jeweiligen Gebiet bereits gut eingeführt waren. Damit ließen sich die sonst so häufigen Anfängerfehler weitgehend vermeiden. Sein Finanzwissen und sein strategisches Geschick ließen sein Geschäftsimperium in kurzer Zeit enorm wachsen. Trotzdem tauchten immer wieder Probleme auf. So gefährdeten drei hochrangige Führungspersönlichkeiten des Kartells plötzlich den Drogenschmuggel, weil sie ihr Ego nicht mehr unter Kontrolle hatten und sich selbst zu überschätzen begannen. Er war gezwungen, alle drei »aus dem Verkehr zu ziehen«. Diese Entscheidung verfolgte ihn wie die Sache mit Juárez immer noch. Er wusste jedoch, dass in solchen Fällen schnelles Handeln geboten war, wenn er den Untergang seiner Organisation und damit seinen eigenen abwenden wollte.
In den letzten Jahren hatte er mit Immobilienspekulationen in New York City viele Millionen Dollar verdient. Außerdem hatte er zahlreiche in Schwierigkeiten geratene Buch- und Zeitungsverlage übernommen und dadurch gerettet. Immer wieder dachte er daran, das ganze Kartell und dessen Unternehmungen Fernando Castillo zu übertragen, in dessen Loyalität und Führungsqualitäten er volles Vertrauen setzte. Doch als er noch mit diesem Entschluss rang, begann die Weltwirtschaftskrise, und er war gezwungen, seine legalen Unternehmen durch die Gewinne zu stützen, die das inzwischen profitabelste und mächtigste mexikanische Drogenkartell unter seiner Führung erwirtschaftete.
Also, wie hatte er das alles geschafft?
Am liebsten hätte er sich zu Campbell hinübergebeugt und ihm die Wahrheit erzählt. »Jeffrey, diese Welt ist nicht gerecht. Diese Welt hat mir meine geliebte Frau genommen. Deswegen will ich nicht nach den Regeln spielen. Ich muss Risiken eingehen, wie es mein Bruder getan hat. Deshalb tue ich, was ich tun muss. Ich versuche, in dieser Welt möglichst viel Gutes zu tun, aber ich weiß auch, dass andere Leben durch mich ruiniert werden, dass gute Menschen sterben müssen, dadurch jedoch noch weit mehr Leben gerettet werden. Dies ist die hässliche Wahrheit über mich. Das schreckliche Geheimnis. Wenigstens musst du nicht damit leben … Nur ich muss es.«
In diesem Moment brachte J. C. ihr Essen – frisch gemachte Fajitas, die die Flugzeugkabine mit einem Aroma erfüllten, das Rojas fast schwindlig machte. Er dachte an Miguel, der mit seiner jungen Freundin bald zu einem Kurzurlaub aufbrechen würde.
Wie würde dieser Tag wohl werden? Der Tag, an dem sein einziger Sohn die Wahrheit erfuhr?
18
Der schlafende Hund
Casa de Nariño
Bogotá, Kolumbien
D er kolumbianische Präsidentenpalast war nach dem im Jahr 1765 geborenen Antonio Nariño benannt, einem der
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