Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
Danach hatte er Tränen in den Augen. »Es tut mir leid, dass Sie diese Wahrheit begreifen mussten. Es ist eine bittere Wahrheit, aber wir müssen sie akzeptieren.«
Sie steckte den Schlüssel in ihre Wohnungstür, aber irgendetwas stimmte nicht. Der Schlüssel glitt nicht so leicht ins Schloss wie gewöhnlich. Für einen Durchschnittsmenschen wäre das nur eine leichte Irritation gewesen, aber Vega achtete zu jeder Zeit auf ihre Umgebung, vor allem jetzt in Juárez, wo bereits die kleinste Nachlässigkeit den Tod bedeuten konnte. Sie atmete einmal tief durch und fragte sich, ob jemand versucht hatte, das Schloss zu knacken.
Sie zog ihre Pistole, öffnete die Tür und ging hinein.
Das Geräusch von Füßen und dann …
Er trat von hinten an sie heran. Er ächzte, während er ihr einen Draht um den Hals zu legen versuchte. Reflexartig hatte sie jedoch ihre Hand vor ihren Hals gehalten, sodass der Draht ihr nicht die Kehle zuschnüren konnte. Stattdessen schnitt er sich tief in ihre Handfläche ein, als sie blitzschnell herumwirbelte und dabei ihren Angreifer mit sich zog.
Im Flur war es immer noch dunkel, deshalb hätte sie ihn auch dann nicht sehen können, wenn sie ihren Kopf nach hinten hätte drehen können. Schließlich konnte sie jedoch ihren Arm so weit aus seiner Umklammerung befreien, dass sie ihre Pistole benutzen konnte. Sie schoss einmal, zweimal, bis der Draht erschlaffte. Sie schrie, machte zwei Schritte nach vorn, drehte sich um und feuerte ein drittes Mal.
Vom Wohnzimmerfenster fiel jetzt ein Lichtstrahl in den Flur, und sie konnte ihn endlich sehen. Er hatte kaum ihre Größe und trug Jeans, ein graues Sweatshirt und eine Gesichtsmaske. Da lag er nun mit Schusswunden in der Brust auf dem Boden.
Trotz ihres heftigen Atmens, des Pulvergestanks und des Speichels, der ihr jetzt den Mund füllte, bemerkte sie eine Bewegung im Schlafzimmer. Ein zweiter Angreifer? Sie hörte, wie ein Fensterriegel geöffnet wurde. Jemand versuchte zu fliehen.
»Keine Bewegung!«, schrie sie und stürmte ins Schlafzimmer. Sie konnte gerade noch erkennen, wie ein weiterer Mann, der ähnlich gekleidet war wie der erste, aus dem Fenster steigen wollte. Er hätte wohl dem anderen helfen sollen, hatte dann jedoch gekniffen. Vega war jedoch so voller Adrenalin, dass sie den Rest ihres Magazins in den Strolch leerte, der rückwärts ins Schlafzimmer zurückfiel. Reflexartig warf sie das leere Magazin aus, führte ein neues ein und lud dann die Pistole durch.
Sie machte das Licht an und durchsuchte die Wohnung, samt des begehbaren Wandschranks und des Badezimmers. Alles sicher. Sie hatten nur zwei Männer geschickt, weil sie wohl geglaubt hatten, das werde für eine Polizistin allemal genügen. Sie stand da und rang nach Atem.
Und dann fluchte sie. Als sie wieder Atem geschöpft hatte, begann sie zu weinen.
Sie holte ihr Handy und rief Towers an. »Ich möchte von diesem verdammten Fall abgezogen werden. Ich will hier weg. Jetzt sofort.«
»Langsam, langsam, nichts überstürzen! Was ist passiert?«
Sie legte auf, wartete ein paar Sekunden und rief dann die Polizeistation an. Ich kneife nicht , redete sie sich ins Gewissen. Ganz egal, was ich gerade gesagt habe.
Sie hatte dem Diensthabenden gerade berichtet, was passiert war, als jemand an ihre Wohnungstür klopfte. Das war wahrscheinlich der Vermieter oder ein besorgter Nachbar.
Ihr Telefon klingelte. Es war Towers. Sie erzählte ihm in aller Kürze: »Vor ein paar Minuten sind zwei Dreckskerle in meine Wohnung eingedrungen. Ich habe sie beide getötet.«
»Dann ziehen wir Sie von dort ab.«
»Nein.«
»Aber Sie haben doch gerade gesagt …«
»Ich weiß, was ich gesagt habe. Aber ich werde das hier zu Ende bringen. Ich werde Gómez höchstpersönlich verhaften.«
»Gut, halten Sie durch! Ich lasse in Ihrer Wohnung zwei Sensoren anbringen. Das wird nicht noch einmal passieren.«
»Da bin ich mir nicht sicher. Gómez hat diese Bastarde geschickt. Sie sollten mich umbringen. Er hat mich durchschaut …«
»Sie müssen noch eine Weile durchhalten. Wenn wir ihn aus dem Verkehr ziehen, fliegt der Rest gleich mit auf. Eine große Aktion, so wie in Puerto Rico. Aber das braucht Vorbereitung, wir dürfen nichts über stürzen …«
»Ich hoffe nur, dass ich lang genug lebe«, fauchte sie. »Ich muss jetzt aufhören. Sie trommeln an meine Tür, außerdem sind ein paar Streifenwagen auf dem Weg hierher …«
San Cristóbal de las Casas
Chiapas, Mexiko
D as Bild seines
Weitere Kostenlose Bücher