Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
ein Dastarchan , lag, auf dem drei Trinkbecher standen. Dies alles war Teil der täglichen Teezeremonie. In den hinteren Räumen lag offensichtlich die Küche, und der süßliche Geruch von Zwiebeln und orientalischen Gewürzen drang zu ihnen herüber.
Dann erschien ein kleiner Junge, den Wazir als seinen Urenkel vorstellte. Er war etwa sechs oder sieben Jahre alt und brachte ihnen eine spezielle Waschschüssel und einen Wasserkrug, die in der Landessprache Haftawa-wa-lagan hießen. Die drei Männer wuschen sich sorgfältig die Hände. Danach kehrte der Junge mit einer Kanne Tee zurück und schenkte den Männern ein. Moore nahm einen tiefen Schluck. Er seufzte vor Be hagen, weil ihn der Geschmack des Tees immer an Pista zien erinnerte.
»Wie war die Fahrt?«, fragte Wazir.
»Keine besonderen Vorkommnisse«, antwortete Moore.
»Sehr gut. Haben Sie die Fotos dabei?«
Moore griff in die kleine Tasche, die ihm über die Schulter hing, und holte seinen Tablet-Computer heraus. Er schaltete ihn ein und reichte ihn Wazir.
Dieser blätterte die Geheimdienstfotos mit dem Daumen so geschickt durch, als ob er so ein modernes Gerät schon oft benutzt hätte. Als ihn Moore danach fragte, meinte er nur: »Darf ich Ihnen etwas zeigen?« Er rief nach dem Jungen, der ihm auf die Füße half.
Dann führte er sie durch die Halle in ein Hinterzimmer. Dort fielen Moore fast die Augen aus dem Kopf, als er die Reihen von Computern, die zwei Breitbildfernseher und die mindestens sechs Laptops sah, die alle gleichzeitig in Betrieb waren. Wazirs elektronisches Kom mandozentrum glich der Brücke eines Weltraumschiffs. Auf manchen Bildschirmen liefen Fernsehprogramme und waren Seiten von Nachrichten- und sozialen Netzwerken zu sehen, andere dienten dagegen offensichtlich als elektronisches Schwarzes Brett. Dieser Mann war im Wortsinne online.
Auf einem Tisch im Hintergrund lagen sogar einige Tablet-Computer, die Moores Gerät aufs Haar glichen.
Wazir winkte mit seiner gesunden Hand durch den Raum und sagte: »Wie Sie sehen, mag ich meine Spielsachen.«
Moore schüttelte ungläubig den Kopf. »Ich bin jetzt seit zwei oder drei Jahren in dieser Gegend. Warum habe ich bisher nichts von Ihnen gehört?«
»Ich wollte das so.«
»Und warum wollen Sie es jetzt?«
Das Lächeln des alten Mannes erstarb. »Kommen Sie, wir wollen unseren Tee trinken. Dann essen wir zu Abend. Und dann reden wir.«
Sie kehrten in den Wohnbereich zurück und nahmen ihre alten Plätze wieder ein. Nach einiger Zeit brachte ihnen der Junge eine riesige Schüssel Quorma , ein Zwiebel-Lamm-Eintopf, dazu einige Chutneys, saure Gurken und Nan , ein ungesäuertes, in einem Lehmofen gebackenes Fladenbrot. Das Essen war wirklich schmackhaft. Moore langte so herzhaft zu, dass er sich danach kaum noch rühren konnte.
Hinterher brach Wazir das Schweigen mit einer Frage: »Was ist Ihnen bisher in Ihrem Leben am schwersten gefallen?«
Moore schaute zu Rana hinüber, dessen Körperspra che ihm bedeutete: Vorsicht, jetzt geht es ans Eingemachte.
Mit einem resignierten Seufzer wandte sich Moore Wazir zu und fragte: »Ist das wichtig?«
»Nein.«
»Warum wollen Sie es dann wissen?«
»Weil ich ein alter Mann bin und bald sterben werde und glaube, dass sich echte Gemeinschaften zwischen Menschen nur durch die Opfer in unserem Leben bilden. Ich bin ein Sammler von Albträumen, wenn Sie so wollen. Es sind die späteren Erzählungen in der Kühle des Tages, die Mut und Wahrheit aufblühen lassen. Ich bitte Sie also im Namen der Bruderschaft zwischen Ihnen und mir: Was ist Ihnen bisher in Ihrem Leben am schwersten gefallen?«
»Ich glaube nicht, dass ich diese Frage schon einmal beantworten musste.«
»Haben Sie Angst vor der Antwort?«
»Ich habe keine Angst, nur …«
»Sie wollen sich dieser Erinnerung nicht stellen. Sie haben sie verdrängt.«
Moore schnappte nach Luft. Es fiel ihm schwer, Wazir weiterhin anzuschauen. »Wir alle haben schon schwierige Aufgaben erledigen müssen.«
»Ich möchte die schwierigste wissen. Wollen Sie, dass ich den Anfang mache?«
Moore nickte.
»Ich sehnte mich danach, meinen Vater stolz zu machen. Ich wollte ein guter Sohn sein.«
»Und wieso war das schwierig?«
Wazir hielt seinen Armstumpf in die Höhe. »Ich wurde bereits am Anfang des Krieges verwundet. Von da an sah ich nie wieder den väterlichen Stolz in seinen Augen, wenn ich das Zimmer betrat. Sein Sohn war jetzt kein Krieger mehr, sondern ein Krüppel. Unser Verhältnis war
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