Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
euch besser kennenlernen könntet.«
»Du hast recht. Ich weiß jedoch nicht, ob er selbst das möchte. Auch er ist ständig auf Achse. Wenn dir der Großteil von Mexiko gehört, musst du immerzu ein Auge darauf haben, nehme ich an.«
»Dein Vater scheint mir ein ehrlicher Mann zu sein. Er wäre wohl auch ehrlich zu dir. Du musst nur mit ihm reden.«
»Da habe ich so meine Bedenken. Er hat mein Leben bereits bis ins Kleinste für mich geplant. Bei einem solchen Gespräch wird er mir wahrscheinlich meine gesamte Zukunft darlegen. Ich hoffe wirklich, dass er mir noch den Rest dieses Sommers lässt. Im Herbst fange ich dann mein Aufbaustudium an.«
»Das hast du mir noch gar nicht erzählt.«
»Ich habe dir eine Menge nicht erzählt. Du hast mir doch gesagt, dass du gerne nach Kalifornien ziehen würdest?«
»Ja.«
»Nun, im Herbst können wir zusammen dorthin ziehen. Ich gehe dort auf die Universität, und du kannst bei mir sein und vielleicht einen Job in einem dieser Studios finden, wie du es dir gewünscht hast.«
Sie schnappte nach Luft. »Das wäre großartig! Mensch, ich könnte mir wirklich etwas suchen, das …«
Sie brach mitten im Satz ab, und ihr Gesicht verdüsterte sich.
»Was ist los?«
»Du weißt doch, dass mein Vater das niemals erlauben wird.«
»Ich werde mit ihm sprechen.«
»Das wird nichts nützen.« Sie machte die tiefe Stimme ihres Vaters nach: »›Mein unbedingtes Streben nach Qualität hat mich zum Erfolg geführt‹ … was glaubst du, wie oft ich das von ihm gehört habe. Und sein Streben, seine Tochter ebenfalls auf diesen Weg zu führen, ist wahrscheinlich genauso unbedingt.«
»Dann soll mein Vater einmal mit ihm reden.«
»Worauf willst du hinaus, Miguel?« Sie hob ihre perfekt gezupften Augenbrauen.
»Ich will darauf hinaus, dass dein Vater dich einfach glücklich machen will. Und vertrau mir, ich schaffe das. Ich kann dich sehr glücklich machen. Na ja, zumindest werde ich mein Bestes tun.«
»Das hast du doch schon …« Sie lehnte sich an ihn. Ihr Kuss war tief und leidenschaftlich, und er beschleunigte Miguels Puls.
Als er hinüberschaute, merkte er, dass sein Vater sie von der anderen Seite der Terrasse aus beobachtete. Dann gab er ihnen mit der Hand ein Zeichen, dass sie wieder zum Familientisch zurückkehren sollten.
»Das war zu erwarten«, seufzte Miguel. »Jetzt wird er mich wieder nach meiner Meinung über alle Krisen auf dem Globus fragen – und Gott helfe mir, wenn ich dann keine habe …«
»Keine Sorge«, lachte Sonia. »Ich teile ihm meine mit, wenn du keine hast.«
Er grinste und fasste sie an der Hand. »Ausgezeichnet.«
6
Der Vers des Schwertes
Schawal-Region
Nord-Waziristan
D er Anführer der Schawal-Stämme hatte in seiner Lehmziegelfestung im Mana-Tal eine wichtige Ver sammlung anberaumt, an der Mullah Abdul Samad jedoch nicht teilzunehmen gedachte. Während sich also die Mischaran des Scheichs vor seiner Festung zu versammeln begannen, verharrte er auf seinem Beobachtungsposten auf der Anhöhe über dem Tal, wo er neben einer Baumgruppe kauerte. Neben ihm hockten seine verlässlichsten Unterführer, Attif Talwar und Wajid Niazi.
Plötzlich bemerkte Samad auf der gegenüberliegenden Talhöhe eine Bewegung. Durch seinen Feldstecher erkannte er zwei Männer, von denen der eine dunkelhaarig und bärtig war, während der andere, offensichtlich weit jüngere, schlanker war und nur einen kurzen, dünnen Bart trug. Sie waren wie Stammesleute gekleidet, aber einer sprach jetzt in ein Satellitentelefon und hantierte mit einem Gerät, das Samad für eine tragbare GPS -Einheit hielt.
Auch Talwar und Niazi musterten jetzt die Männer durch ihre Ferngläser. Samads Gefolgsleute waren nur halb so alt wie er. In den letzten beiden Jahren hatte er ihnen alles beigebracht, was sie für ihre Aufgabe wissen mussten. Jetzt bestätigten sie ihm beide seine eigene Einschätzung: Die Männer dort drüben waren vorgeschobene Kundschafter des amerikanischen Geheim diensts, der pakistanischen Armee oder einer amerika nischen Spezialeinheit. Die schlecht ausgebildeten und minderbemittelten Leute des Scheichs hatten die beiden nicht ausmachen können und würden bald den Preis für ihre Nachlässigkeit zahlen müssen.
Der Häuptling benutzte immer wieder den Stammeskodex als Druckmittel gegen die Vertreter der pakistanischen Zentralverwaltung. Der Armee drohte er, sie werde genauso hohe Verluste wie in Süd-Waziristan erleiden, wenn sie ihn angreifen sollte. Die
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