Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
Regierung solle endlich einsehen, dass seine Leute ihre Angelegenheiten mithilfe ihrer Stammesgesetze und ihrer lokalen Ratsversammlungen, den Dschirgas , selbst regeln könnten. Sie brauchten deshalb die Unterstützung der Regierung nur bei der Grundversorgung, aber nicht, wenn es um Rechtsprechung und die Gestaltung ihres Stammeslebens gehe. Er versicherte ihnen jedoch, dass seine Leute niemals Verbrecher beherbergen würden, dass es in Schahal keine »Ausländer« gebe und dass er auf keinen Fall etwas tun werde, was seinen Stammesangehörigen und deren Land Schaden zufügen könnte. Allerdings war der Häuptling kein guter Lügner. Samad würde deshalb für seinen Tod sorgen … vielleicht nicht heute … vielleicht nicht morgen … aber bald.
Die beiden Kundschafter bewegten sich nicht, während sie mit ihren Feldstechern ebenfalls die umliegenden Täler beobachteten. Sie schienen sich besonders für die langen Reihen von Apfelbäumen zu interessieren, die sich bis hinunter ins Haupttal erstreckten, wo sie von Aprikosenbäumen abgelöst wurden. Tatsäch lich hatte man selbst an den steilsten Abhängen oberhalb des Dorfs Obstterrassen angelegt, deren Bäume eigentlich eine ausgezeichnete Deckung boten. Trotz dem hatten diese Männer offensichtlich ein paar Wachen entdeckt, die der Häuptling im weiteren Umkreis seiner Festung aufgestellt hatte. Diese schienen sich jedoch um solche Spione überhaupt nicht zu kümmern. Samad schüttelte erneut voller Abscheu und Verachtung den Kopf.
Sowohl die amerikanische als auch die pakistanische Regierung hatten gute Gründe für die Annahme, dass die hiesigen Stämme Kämpfer der Taliban und der Al-Kaida beherbergten. Die Datta Khail und die Zakka Khail waren seit Jahrhunderten für ihren Treuekodex berühmt, der ihr Land zu einem natürlichen Rückzugsgebiet aller Rebellen machte. Der gegenwärtige Häuptling war da keine Ausnahme. Allerdings war er in letzter Zeit einem hohen Druck vonseiten der Amerikaner ausgesetzt. Samad war überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit sei, wann er diesem Druck nachgeben und ihn und seine 40 Kämpfer verraten würde, die in der Schawal-Region auf beiden Seiten der von hier nur etwa 10 Kilometer entfernten afghanisch-pakistani schen Grenze operierten.
Nach dem 11 . September 2001 war die pakistanische Armee in dieses Gebiet eingerückt, um die Grenze gegen die Soldaten der afghanischen Nordallianz zu sichern, die immer weiter nach Osten vorstießen. Anstatt den pakistanischen Truppen Widerstand zu leisten (wie sie es nach Samads Ansicht hätten tun müssen), hatten die örtlichen Stämme sie begrüßt und ihnen erlaubt, auf ihrem Gebiet Stütz- und Kontrollpunkte zu errichten. In den folgenden Jahren hatten die Stammesführer diesen Fehler jedoch bitter bereut, weil viele ihrer Ang ehörigen und Freunde im Zuge der sogenannten »Terro ristenbekämpfung« durch amerikanische Drohnen und Daisy-Cutter-Bomben getötet wurden. Die Amerikaner brachten auf diese Weise angeblich im »Namen der Gerechtigkeit« zahlreiche Zivilisten um. Hinterher gab es nur eine dürre Entschuldigung und eine lächerlich geringe Entschädigungszahlung.
In den letzten Monaten waren die Stammesleute endlich zur Vernunft gekommen und hatten die Forde rungen der Amerikaner und Pakistani abgelehnt. Seit einigen Jahren gab es eine eigene Stammestruppe, deren Aufgabe es war, alle fremden Flüchtlinge und Widerstandskämpfer im Schawal-Gebiet aufzuspüren und festzunehmen. Allerdings hatte der Häuptling erst vor einigen Tagen aus Islamabad erfahren, dass die Zentralregierung mit der Ausbeute seiner Laschkar höchst unzufrieden sei und sich deshalb überlege, starke Ar mee-Einheiten in seine Region zu schicken, um diese ter roristischen Kräfte auszuschalten. Samad und seine Leute hatten daraufhin im Auftrag ihres Oberbefehlshabers Mullah Omar Rahmani, der gegenwärtig in Af ghanistan weilte, mit dem Stammeshäuptling ein Abkommen geschlossen. Sollte die Armee tatsächlich zurückkehren, würden die Taliban und Al-Kaida seine Stammeskrieger mit neuen Waffen ausrüsten und sie gegen alle Angriffe militärisch unterstützen. Darüber hinaus hatte Rahmani dem Häuptling versichert, dass er für seinen Beistand fürstlich entlohnt werden würde. Rahmani fehlte es nicht an Geld, solange die Mohnblumen blühten und man die Opiumplatten nach Übersee schmuggeln konnte. Erst kürzlich hatten sie einen Vertrag mit dem Juárez-Kartell geschlossen, der sie zum Hauptlieferanten von
Weitere Kostenlose Bücher