Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
Opium nach Mexiko machen würde, wenn es diesem Kartell gelingen sollte, seine Rivalen auszuschalten. Mexiko hatte bisher nur sehr wenig afghanisches Opium gekauft. Rahmani hatte vor, dies zu ändern. Er wollte sein Produkt zu einem ernsthaften Konkurrenten des südamerikanischen Kokains und des industriell hergestellten »Crystal Meth« (Methamphetamin) machen, das die verschiedenen Kartelle in die Vereinigten Staaten schleusten.
Samad ließ seinen Feldstecher sinken. »Sie werden uns heute Abend angreifen«, teilte er seinen Unterführern mit.
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte Talwar.
»Merk dir meine Worte! Die Kundschafter kommen immer ein paar Stunden vorher. Auf keinen Fall früher. Das ist alles. Rahmani wird uns rechtzeitig warnen.«
»Und was sollen wir jetzt machen? Bringen wir unsere Leute noch rechtzeitig hier raus? Können wir uns noch davonstehlen?«, fragte Niazi.
Samad schüttelte den Kopf und deutete mit seinem Zeigefinger auf den Himmel. »Sie beobachten uns, wie sie es immer tun.« Er strich in Gedanken über seinen langen Bart. Eine Minute später nahm in seinem Geist ein Plan Gestalt an. Er bedeutete seinen Mitstreitern, dass sie sich mit ihm langsam zurückziehen sollten, wobei sie stets darauf achteten, hinter Obstbäumen und in Geländesenken in Deckung zu bleiben, damit die fremden Spione sie nicht entdeckten.
Auf der anderen Seite des Hügels lag ein kleines Haus mit großen Pferchen, in denen Ziegen, Schafe und ein halbes Dutzend Kühe grasten. Der dort lebende Bauer hatte Samad immer wieder scheel angesehen, wenn die ser seine Leute zum Schießtraining in das direkt an grenzende Tal geführt hatte. Dort befand sich ein Übungsgelände der Taliban, was dem Bauern durchaus bekannt war. Sein Stammeshäuptling hatte ihn angewie sen, Samad auf jede mögliche Weise zu unterstützen. Am Ende hatte er sich zögerlich dazu bereit erklärt. Samad hatte bisher noch nie mit dem Mann gesprochen, aber Rahmani hatte ihn immer wieder gewarnt, dass man diesem Bauern auf keinen Fall trauen dürfe.
Im Krieg musste man Männer opfern. Samads Vater, ein Mudschaheddin gegen die Russen, hatte ihm dies bei ihrer letzten Begegnung vor seinem Tod erklärt. Er war damals mit einer AK- 47 , einem zerfledderten Rucksack und zerfallenden Sandalen in den Krieg gezogen. Beim Abschied hatte er sich noch einmal zu Samad umgedreht und gelächelt. In seinen Augen war ein leichtes Schimmern zu erkennen gewesen. Samad war sein einziges Kind, und sein Vater wusste sehr wohl, dass sein Sohn und seine Mutter bald allein auf der Welt zurückbleiben würden.
Männer mussten geopfert werden. Samad hatte stets ein Foto seines Vaters bei sich, das er durch ein allmählich vergilbendes Stück Plastikfolie geschützt hatte. In einsamen Nächten betrachtete er es und sprach mit seinem Vater. Er fragte ihn, ob er auf die Leistungen und Erfolge seines Sohnes stolz sei.
Mithilfe einiger ausländischer Hilfsorganisationen hat te Samad in Afghanistan die Schule beendet. Ein ande res Entwicklungshilfeprojekt verschaffte ihm ein Stipendium, mit dem er an dem Dubaier Ableger der englischen Middlesex University studieren konnte, wo er einen Abschluss in Informationstechnologie machte. Vor allem frönte er dort jedoch seinen politischen Interessen. Er lernte junge Mitglieder der Al-Kaida, der Taliban und der Hisbollah kennen. Deren rebellische Gemüter erfüllten seine naive Seele mit einer großen Begeisterung für die islamische Sache.
Nach seinem Examen reiste er mit einigen Freunden nach Sahedan, einer Stadt im Südosten des Iran, die an strategischer Stelle im Dreiländereck von Pakistan, Afghanistan und Persien liegt. Mit Geld aus dem Drogenhandel und unter Anleitung von Sprengstoffexperten der iranischen Revolutionären Garden gründeten sie dort ein islamisches Unternehmen zur Produktion von Bomben. Samad war dabei für den Aufbau und die Wartung des Computersystems verantwortlich. Sie stellten Bomben her, die in Hohlblocksteinen verborgen waren. Diese wurden über die Grenze nach Afghanistan und Pakistan geschmuggelt. Der zeitliche Ablauf, die Kenn zeichnung und die Transportorganisation dieser Lieferungen wurden elektronisch durch die Software gesteu ert, die Samad entwickelt hatte. Dies war sein erster Vorstoß in die Welt des Terrorismus.
Der Dschihad war ein Grundgebot und Glaubensprinzip für alle Muslime. Dabei wurde dieser Begriff ganz unterschiedlich und manchmal völlig falsch interpretiert. Selbst Samad hatte
Weitere Kostenlose Bücher