Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
dessen wahre Bedeutung erst während seiner Arbeit in dieser Bombenfabrik erkannt. Einige Theologen hielten den Dschihad für einen Kampf im Innern der Seele des Gläubigen oder für die Verteidigung des Glaubens gegen seine Kritiker. Manche verstanden darunter sogar die Auswanderung in ein nicht muslimisches Land, um dort den Islam zu verbreiten. Die Bedeutung des arabischen Wortes war einfach »eine Anstrengung auf dem Weg zu Allah«. Samad war sich jedoch sicher, dass dies nur den bewaffneten Kampf im Dienste Allahs bedeuten konnte. Die Ungläubigen mussten aus dem Heiligen Land vertrieben werden. Sie mussten vernichtet werden, da sie die Ungerechtigkeit und die Unterdrückung verkörperten. Sie leugneten verstockt die Wahrheit, obwohl man sie ihnen verkündet hatte. Sie waren bereits dabei, sich selbst zu vernichten, und würden den Rest der Welt mit sich in den Untergang reißen, wenn man sie nicht rechtzeitig aufhielt.
Entscheidend für Samads Weltsicht war der »Vers des Schwertes« aus der 8. Sure des Korans: Und rüstet gegen sie auf, so viel ihr an Streitmacht und Schlachtrossen aufbieten könnt, damit ihr Allahs Feinde und euren Feind – und andere außer ihnen, die ihr nicht kennt – abschreckt …
Niemand verkörperte diese Feinde Allahs eindeutiger als die Amerikaner, diese verdorbenen, charakterlosen und gottlosen Konsumenten von Unrat. Dieses Land der Hurenböcke und Heim der Fettleibigen. Sie waren eine Bedrohung für alle anderen Völker auf dieser Erde.
Samad führte seine Männer zum Bauernhaus. Dann forderte er den Bauern auf, zu ihnen herauszukommen. Der Mann, der das Anwesen allein bewirtschaftete, seitdem seine Frau gestorben war und seine beiden Söhne nach Islamabad gezogen waren, trat erst nach geraumer Zeit vor die Tür. Er stützte sich auf einen Stock und schaute Samad böse an.
»Ich möchte Sie hier nicht haben«, krächzte er schließlich.
»Ich weiß«, erwiderte Samad. Dann trat er an den Bauern heran und stieß ihm eine lange, gebogene Klinge direkt ins Herz. Als der Sterbende nach hinten fiel, fing ihn Samad auf. Talwar und Niazi halfen, ihn ins Haus zu tragen. Sie legten ihn auf den Lehmboden und sahen zu, wie er langsam verblutete.
»Wenn er tot ist, müssen wir seine Leiche beseitigen«, sagte Niazi.
»Natürlich«, antwortete Samad.
»Man wird ihn vermissen«, gab Talwar zu bedenken.
»Wenn uns irgendwelche Stammesangehörigen fragen, erzählen wir einfach, er besuche gerade seine Söhne in Islamabad. Wenn jedoch die Amerikaner oder die pakistanische Armee hier auftauchen, tun wir so, als ob das unser Bauernhof wäre. Kapiert? Wenn wir jetzt flüchten, werden wir nur ihren Verdacht erregen.«
Sie nickten.
Draußen fanden sie in der Nähe des Ziegenpferchs ein Loch, das der Bauer gegraben hatte, um seinen Tierdung zu lagern. Dort warfen sie die Leiche hinein und bedeckten sie mit Ziegenmist. Samad grinste. Kein Soldat würde einen Misthaufen durchsuchen, um die Leiche eines unwichtigen Bauern zu finden. Samad hüllte sich zur Tarnung in den Umhang des Alten. Dann machten sie es sich auf den klapprigen Stühlen des Toten bequem, kochten sich Tee und warteten auf den Einbruch der Dunkelheit.
M oore und sein junger Begleiter Rana hatten auf der anderen Seite des Tales neben einer Baumgruppe drei Männer entdeckt. Sie waren jedoch zu weit entfernt gewesen, sie hatten auch mit den Feldstechern ihre Gesichter nicht erkennen können. Rana hielt sie für Taliban-Kämpfer, die die Festung im Tal bewachen sollten. Moore stimmte ihm zu. Er und Rana stiegen ins Tal hinunter und dann wieder auf die Höhe hinauf, von wo Moore mit seinem Iridium-Satellitentelefon einen Anruf tätigen wollte. Da dessen Empfang in den Tälern und Schluchten gestört war, führte er seine Telefongespräche meist von einer höher gelegenen Stelle aus, obwohl er dort natürlich viel leichter entdeckt werden konnte. Tatsächlich erreichte er den Kommandeur eines OD A (Operational Detachment Alpha)-Teams. Dieses ODA - Team, oft auch einfach »A-Team« genannt, war eine Spezialeinheit der US -Army, die in der Tradition der »Green Berets« vor allem zur Terrorismusbekämpfung eingesetzt wurde. Als SEAL hatte Moore in Afghanistan mit diesen Jungs zusammengearbeitet. Seitdem hatte er einen Riesenrespekt vor ihnen, obwohl man sich ständig auf freundliche Art gekabbelt hatte, wer von beiden denn nun eigentlich die effektivste und gefährlichste Kampftruppe war. Tatsächlich war diese Rivalität ebenso
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