Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
Rücksitz
Bonita-Real-Hotel
Juárez, Mexiko
M oore konnte den Gedanken an Ranas Ermordung nur verdrängen, indem er sich auf den Augenblick und die beiden Männer, die ihn verfolgt hatten, konzentrierte. Sie parkten jetzt vor dem Hotel auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie müssen sich inzwischen zu Tode langweilen , dachte er. Sie saßen jetzt seit zwei Stunden da, spielten mit ihren Handys und beobachteten den Hoteleingang und den Parkplatz. Einige Aspekte der Kartelltätigkeiten mochten höchst raffiniert und ausgefeilt sein, andere wie etwa die Personenüberwachung waren immer noch ziemlich primitiv und unterentwickelt. Einige Male stiegen sie aus ihrem Corolla aus (dessen vordere Seitenwand rot, dessen Rest jedoch schwarz war), lehnten sich auf die Motorhaube, rauchten Zigaretten und schauten immer wieder in Richtung Hotel. Diese jungen Gecken waren zweifellos echte Genies und Intelligenzbolzen. Moore verstand jetzt, warum man ihnen diesen Idiotenjob übertragen hatte. Jeder Sicario mit einem Funken Ver stand würde solchen Schwachköpfen weder Geld, Waffen noch Drogen anvertrauen. Bei seiner Rückkehr hatte Moore zwei Späher auf dem Hoteldach bemerkt, die beide wie Bauarbeiter angezogen waren, in Wirklichkeit jedoch Corrales und seine Kumpane alarmieren sollten, wenn das Hotel selbst angegriffen wurde. Ob sie mit seinen Verfolgern in Verbindung standen, konnte Moore nicht sagen.
Er hatte die beiden Kerle mitsamt ihrem Auto bereits mehrere Male fotografiert und die Bilder nach Hause geschickt, wo Analysten sie identifizierten und die mexikanischen Polizeiakten nach weiteren Angaben durchforsteten. Beide Männer hatten Einträge im Strafregister, allerdings meist für Kleindelikte wie Diebstähle und Drogenbesitz. Keiner der beiden musste bisher längere Gefängnisstrafen absitzen. In den Polizeiunterlagen wurden sie als »mutmaßliche Kartellmitglieder« geführt. Irgendwo da draußen gab es einen mexikanischen Polizisten mit einem guten Auge für das Offensichtliche.
Moore schickte Fitzpatrick eine SMS , der ihm in seiner Antwort versicherte, dass sie keine Mitglieder des Sinaloa-Kartells seien und folglich wohl für Corrales arbeiteten.
Dies war sowohl eine Enttäuschung als auch ein Prob lem, da er ja immer noch den Führer der Sinaloas über seine Maklerin zu einem Treffen bewegen wollte. Fitzpatrick teilte ihm jedoch mit, dass bisher weder er noch Luis Torres den Auftrag erhalten hätten, einen Amerikaner aus dem Hotel abzuholen.
Moore dachte kurz darüber nach, dann rief ihn auch schon Gloria Vega an.
»Ich mache es kurz«, sagte sie. »Wir hatten ein Feuergefecht mit einigen Kartellmitgliedern. Fitzpatrick hat bestätigt, dass es Zúñigas Männer waren. Drei Juárez-Jungs wurden getötet. Die Polizei hat Angst, und Gómez steckt ganz tief drin. Er könnte die wichtigste Verbindung zum Kartell sein. Er hat immer zwei Handys dabei, und für die anderen hier im Revier ist er ein halber Gott. Ich sollte so viel Informationen über ihn sammeln, dass ich ihn umdrehen kann. Wir werden dann sehen, wie viele er uns auf dem Tablett serviert. Was mich betrifft, sehe ich keine andere Möglichkeit. Wir müssen einen Deal mit ihm machen.«
»Da brauchen Sie kein schlechtes Gewissen zu haben.«
»Hab ich auch nicht. Mich wurmt nur, dass er uns natürlich nicht alles offenbaren wird und wir deshalb ihre Operationen nur ein wenig behindern können. Das ist alles.«
»Was immer wir tun können, werden wir tun. Ohne Ausnahme.«
»Ja, das habe ich kapiert. Oder ich versuche es zumindest.«
Ihr Zynismus war zwar verständlich, aber auch verdrießlich, deshalb wechselte er das Thema. »Hey, haben Sie schon von dieser riesigen Verhaftungswelle in Puerto Rico gehört?«
»Ja, ein weiterer großer Sieg für das FBI .«
»Auch unsere Zeit wird kommen, glauben Sie mir. Wir müssen einfach am Ball bleiben.«
»Das ist gar nicht so einfach. Gómez ist ein absoluter Chauvi. Meine Zunge tut mir schon weh, weil ich ständig draufbeißen muss.«
Moore besänftigte seinen Ton: »Also, wenn jemand das schafft, dann Sie.«
Sie schnaubte. »Woher zum Teufel wollen Sie das wissen?«
»Vertrauen Sie mir, meine Schöne, Ihr Ruf eilt Ihnen voraus.«
»Okay, bis bald.« Sie legte auf.
Ihr Telefongespräch war natürlich verschlüsselt gewesen und würde weder auf ihrem Handy, ihrer Rechnung noch irgendwo sonst auftauchen. Wenn die CIA Verbindungsdaten verschwinden lassen wollte, verschwanden sie auch. Punkt.
Moore
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