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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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»Bess scheint ihren Jack sehr zu lieben, oder? Jedenfalls unternimmt sie alles, um ihn aus seinem Elend zu befreien.«
    »Das ist auch das Mindeste«, knurrte Blueskin leise und bedachte Bess, die durch einen gemauerten Durchlass in das angrenzende Wärterzimmer schaute, mit einem skeptischen und beinahe feindseligen Blick. Dann zog er sich eine weite Kapuze über den Kopf, sodass nur noch seine Nasenspitze zu sehen war.
    »Wie meinst du das?«, fragte Henry.
    »Dreimal darfst du raten«, antwortete Blueskin. »Ohne Bess säße Jack doch gar nicht hier. Sie hat ihn ja selbst an Wild verpfiffen. Im Suff zwar, aber trotzdem. Kein Wunder, dass sie ein schlechtes Gewissen hat. Verdammtes Luder!«
    Bevor Henry etwas darauf erwidern konnte, wandte sich Bess an Godfrey und George: »Ihr wisst, was zu tun ist?«
    Die Zwillinge nickten und grinsten.
    »Hast du alles, was wir brauchen, Poll?«
    Poll deutete unter ihren Rock und nickte.
    Bess reichte Jenny die Lederflasche und befahl: »Los, Mädels!«
    Gemeinsam betraten die drei Frauen die Lodge, die vom Korridor aus nur zum Teil einzusehen war. Das Wärterzimmer war durch mehrere Pfeiler, Säulen, Nischen und Mauervorsprünge in kleinere Abschnitte unterteilt und wirkte sehr verwinkelt und unübersichtlich. Auch die Deckenhöhen und der Wandputz variierten, als wäre dieser Raum aus mehreren Kammern zusammengefügt worden. Im hinteren Teil der Lodge führte eine steile Steintreppe in die oberen Stockwerke, zur Linken befand sich vor einer Regalwand eine Art längliches Pult oder Tresen, hinter dem ein schwarz gekleideter Mann mit Perücke auf einem Schemel hockte und gelangweilt in großformatigen Büchern blätterte, und zur Rechten führte eine hölzerne Halbtreppe zu einem höher gelegenen Gewölbe, aus dem die Stimmen mehrerer Männer zu hören waren, die sich angeregt unterhielten und lachten. Während Bess und Poll sich nach links wandten und den Wärter hinter dem Pult ansprachen, stieg Jenny die Stufen zum Gewölbe hinauf und verschwand hinter einem Pfeiler.
    »Der Warteraum«, sagte Blueskin, bevor Henry überhaupt fragen konnte.
    »Auch wenn es darin meistens zugeht wie in einer Schänke«, ergänzte George abfällig, »und man sogar fürs Warten bezahlen muss.«
    Kurz darauf waren aus der Richtung des Warteraums lautes Grölen und anerkennendes Pfeifen zu vernehmen.
    »Die Wärter haben den Brandy gekostet«, vermutete Godfrey und zog den Schlapphut tief in die Stirn.
    »Oder Jennys Titten«, antwortete sein Bruder und grinste dreckig.
    »Wie auch immer«, meinte Blueskin, der sich in einer Mauernische neben dem Durchlass regelrecht verkrochen hatte. »Auf jeden Fall sind die Kerle für eine Weile beschäftigt.«
    Bess und Poll hatten inzwischen dem Wärter am Pult das Besuchsgeld gegeben und wurden von ihm auf Gegenstände wie Feilen, Nägel oder Sägeblätter durchsucht. Der Mann ließ es sich dabei nicht nehmen, vor allem die Dekolletés und die Hinterteile der Frauen zu inspizieren und unter ihre Petticoats zu grapschen. Die beiden Huren ließen die erniedrigende Prozedur stoisch über sich ergehen, und Poll schaffte es sogar, schallend zu lachen und dem Wärter ganz nebenbei in den Schritt zu fassen. Vermutlich um den Mann von dem abzulenken, was sie unter ihrem Rock versteckt hatte – was auch immer das sein mochte. Schließlich hatte der Wärter sich ausreichend aufgegeilt, ohne dabei fündig geworden zu sein, und ließ die Frauen passieren.
    »Sheppard, Jack!«, rief er über seine Schulter. »Besuch!«
    Direkt hinter dem Pult führte ein schmaler und dunkler Gang zu einer Gittertür, die nun von einem zweiten Wärter geöffnet wurde. Bess und Poll betraten den niedrigen Gang und verschwanden im Dunkeln.
    »Wohin geht’s da?«, wollte Henry wissen, der das Geschehen gebannt verfolgt hatte und nun weiteren Besuchern Platz machte, die das Wärterzimmer betreten wollten.
    »Zu den Todeszellen«, sagte Blueskin, der inzwischen vollends in seiner Nische verschwunden war und nicht einmal mehr seine Nasenspitze herausstreckte. »Sie dürfen aber nicht hinein, sondern müssen durch eine schmale, mit Eisenspitzen versehene Öffnung mit ihm reden.«
    »Und wie will er da rauskommen?«
    »Das lass nur Jacks Sorge sein«, meinte George und lachte. »Wenn er uns herbestellt hat, dann wird er schon einen Weg finden. Jack ist ’n gerissener Fuchs, kannst dich drauf verlassen.«
    »Und was machen wir jetzt?«, wollte Henry wissen.
    »Warten«, sagte Godfrey. »Wie

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