Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
Vom Netzwerk:
besprochen.«
    »Willst du Bess nicht helfen, Jack zu befreien?«, wandte sich Henry an Blueskin. »Immerhin seid ihr Freunde, oder?«
    »Wenn ich da reingehe«, antwortete Blueskin und deutete mit dem Daumen in die Lodge, »dann ich kann ich mich auch gleich selbst am Triple Tree in Tyburn aufknüpfen. Den Gefallen will ich Mr. William Pitt nicht machen.«
    »William Pitt?«, wunderte sich Henry. »Meinst du den älteren oder den jüngeren?« Er war sich ziemlich sicher, dass beide Politiker im Jahr 1724 noch gar nicht geboren oder zumindest in Amt und Würden waren.
    »Kenn nur den einen«, knurrte Blueskin und deutete auf den Wärter hinter dem Pult. »Und das ist der Hauptwärter von Newgate, der nur darauf wartet, mich in die Hände zu bekommen. Nee, Junge, ich bin doch nicht lebensmüde! Bei dem Einbruch, für den sie Jack drangekriegt haben, hab ich schließlich auch mitgemacht, und unter den Wärtern bin ich bekannt wie ’n bunter Hund.«
    »Wie ’n blauer Hund, um genau zu sein«, meinte Godfrey und kicherte über seinen Witz.
    Blueskin fuhr herum, sprang ihm wütend an die Gurgel und drückte mit beiden Händen zu.
    »He, lass gut sein«, zischte George und zerrte an Blueskins Armen. »Du bringst ihn ja um.«
    Widerwillig lockerte Blueskin den Griff, hatte die Hände aber immer noch um Godfreys Hals gelegt.
    »War nicht so gemeint«, stotterte Godfrey und rang nach Luft. »Tut mir leid, Joseph.«
    »Ich besorg uns schon mal ’ne Kutsche«, knurrte Blueskin, ließ von Godfrey ab und verschwand ohne weiteren Kommentar nach draußen.
    »Immer so empfindlich, der Gute«, meinte George kopfschüttelnd.
    »Ein verdammter Irrer, wenn du mich fragst«, sagte Godfrey und rieb sich den Hals. »Im einen Augenblick macht er Scherze, und im nächsten geht er dir an die Gurgel, als hätte ihn der Teufel geritten. Bei dem Mistkerl weiß man nie!«
    George zuckte lediglich mit den Schultern und wandte sich dann an Henry: »Also? Wie sieht’s aus, Kumpel? Machst du mit?«
    »Ich bin dabei«, antwortete Henry, bevor er sich auf die Lippen beißen konnte. »Wie besprochen.«
    Die Zwillinge betraten gemeinsam die Lodge, und Henry folgte ihnen dicht auf den Fersen, als wollte er hinter ihnen Deckung suchen. Doch weder der Kerkermeister Mr. Pitt, der von den nächsten Besuchern das Handgeld einstrich, noch der Schließer an der Gittertür beachteten die drei. Als Henry in das höher gelegene Gewölbe schaute, das sich direkt über dem Torbogen von Newgate befand, bot sich ihm ein erstaunliches Bild. Der Raum war tatsächlich wie eine Schankstube eingerichtet, mit Bänken und Tischen und einem Regal an der hinteren Wand, in dem sich zahlreiche Zinnkrüge, Holzbecher und Tassen befanden. Auf einem Stehtisch vor dem Regal standen verschiedene Karaffen und Tonkrüge sowie eine halb volle Weinflasche.
    In einer Ecke des Raumes, gleich neben einem Bleiglasfenster, saß Jenny Diver auf einer Holzbank zwischen zwei schwarz gekleideten Wärtern, die immer abwechselnd entweder die Frau befingerten oder sich den Brandy an den Hals setzten und dabei unentwegt wie kleine Kinder kicherten. Dass weitere Gefängnisbesucher in unmittelbarer Nähe saßen und verlegen auf ihre Füße starrten, schien ihnen nichts auszumachen. Sie waren zu abgelenkt und betrunken, um es überhaupt zu bemerken. Für die Neuankömmlinge hatten sie ebenfalls kein Auge.
    Als Jenny die Zwillinge sah, nickte sie ihnen unmerklich zu und schlug gleichzeitig einem der Wärter auf die Nase, der sich allzu aufdringlich mit seinen Lippen ihrem entblößten Ausschnitt genähert hatte.
    »Jenny hat recht gehabt«, sagte George. »Riemig wie alte Böcke.«
    Godfrey stieß seinen Bruder an, deutete nach links und sagte: »Es geht los!«
    In dem schmalen Gang, der zu den Todeszellen führte, war eine Bewegung zu erkennen. Zwei Frauen näherten sich der Gittertür und wandten sich an den Schließer, der auf einem Hocker hinter einem Tisch gedöst hatte. Im zuckenden Kerzenschein sah Henry die schlanke Gestalt von Poll, die sich mit dem Schließer unterhielt, doch er musste zweimal hingucken, um sie zu erkennen, denn statt des riesigen Fasanenfederhuts trug sie nun eine einfache Haube auf dem dunkelblonden Haar. Der ausgestopfte Fasan war stattdessen auf dem Kopf der anderen Frau gelandet, allerdings handelte es sich dabei nicht um Edgworth Bess. Die zweite Frau war trotz des Huts deutlich kleiner als Poll und noch schmächtiger gebaut. Sie trug ein schlichtes braunes Kleid,

Weitere Kostenlose Bücher