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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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war Poll nicht zu Hause. Er öffnete das Türschloss mit einem gebogenen Nagel, den er aus dem Treppengeländer gezogen hatte, und betrat das Zimmer. Drinnen war es duster und stickig, es roch nach feuchter Kleidung und altem Schweiß. Unterwäsche und Strümpfe hingen auf einer Leine. Neben dem Bett stand eine Waschschüssel mit dreckigem Seifenwasser, in der er sich die verbrannten Stellen wusch. Dann verband er seine Wunden mit einigen Taschentüchern, die er in einer Schublade fand, setzte sich auf einen Lehnstuhl, der vor dem einzigen, beinahe blinden Fenster stand, und starrte vor sich hin. Bis ihn der Schlaf übermannte.

2

    Als er aufwachte, dämmerte bereits der Abend, soweit das durch das matt angelaufene Fensterglas überhaupt zu erkennen war. Ein seltsames Flackern war auf der Wand neben dem Fenster zu sehen, wie ein unsteter und heller werdender Lichtschein. Blueskin fuhr auf seinem Stuhl herum und sah eine Flamme auf sich zukommen. Er wich erschrocken zurück und stieß einen Schrei aus.
    »Leise, verdammt!«, zischte Poll, nahm die Kerze beiseite, die sie in der Hand hielt, und setzte sich auf das Bett neben dem Fenster. »Wieso bist du nicht tot?«, fragte sie. Da er kein Wort herausbrachte und immer noch panisch auf die Kerze schaute, löschte sie das Licht und fügte hinzu: »Ich war vorhin im Black Lion. Der Wirt hat gesagt, du wärst tot. Alle haben das gesagt.«
    »So kann man sich irren«, antwortete Blueskin und streckte sich. Die Brandwunden taten höllisch weh, vor allem die Schulter schmerzte, und in seinem Kopf hämmerte es wie in einem Bergwerk.
    »Sie haben deine verkohlte Leiche gefunden«, beharrte Poll und setzte sich im Schneidersitz auf die Strohmatratze. »Neben deinem Dolch. Dein Name war im Griff eingeritzt.«
    Blueskin stutzte und griff nach seiner Waffe, die er allerdings nicht fand, weil sie in der Jacke gewesen war, die er in der Dirty Lane zu Boden geworfen hatte. Direkt neben dem brennenden Mann.
    Im selben Augenblick klopfte jemand an die Tür, und eine tiefe Frauenstimme meldete sich aus dem Treppenhaus: »Alles in Ordnung, Miss Maggott? Wir haben einen Schrei gehört.« Es klang eher misstrauisch als besorgt.
    »Nichts passiert, Mrs. Skimpole«, rief Poll. »Ich hab mich nur vor einer Spinne erschreckt. Kann die Biester nicht ausstehen.«
    »Eine Spinne?«, antwortete die Zimmerwirtin. »Das klang aber ganz anders.«
    »Es ist nichts«, wiederholte Poll. »Alles in Ordnung.«
    Ein ärgerliches Knurren war zu vernehmen, dann leiser werdende Schritte, das Knarren der Treppe und schließlich das Schlagen einer Tür.
    »Wie bist du hier hereingekommen, Blueskin?«, flüsterte Poll, als hätte sie Angst, es könnten weitere Neugierige vor der Tür stehen.
    »Na, wie wohl«, antwortete er ebenso leise.
    »Und was willst du hier?«
    »Mich verstecken.«
    »Hier kannst du nicht bleiben! Die Skimpoles haben Augen wie Falken und Ohren wie Luchse. Denen entgeht nichts, und die Missis hat mich ohnehin auf dem Kieker. Wenn ich nicht hin und wieder für den Master die Beine breit machen würde, hätten sie mich längst auf die Straße gesetzt. Verdammte Heuchler!«
    »Nur ein paar Tage«, bat Blueskin. »Ich weiß sonst nicht, wohin! Ich kann niemandem trauen.«
    »Und warum traust du mir?«, wunderte sich Poll. »Ausgerechnet mir?«
    »Du bist keine Verräterin wie Bess.«
    Poll lachte ungläubig, doch sofort wurde sie wieder ernst und fragte: »Was soll überhaupt das Versteckspiel?«
    »Mr. Wild ist hinter mir her.«
    »Was du nicht sagst!«, lachte Poll. »Die ganze Stadt ist hinter dir her.«
    »Nein, du verstehst nicht!«, entfuhr es Blueskin. »Wilds Leute haben das Haus in Brand gesetzt. Sie haben Hope auf dem Gewissen, aber eigentlich hatten sie’s auf mich abgesehen. Hope war nur der Köder.«
    »Aber sie ist doch gar nicht tot«, entgegnete Poll.
    »Woher weißt du das?« Blueskin sprang auf und griff nach Polls Unterarm.
    »Au, du tust mir weh!«, zischte Poll. Nachdem er sie losgelassen und sich neben sie aufs Bett gesetzt hatte, sagte sie: »Ich hab’s von Godfrey. Und der hat’s im Blue Bell gehört. Sie haben Hope aus dem brennenden Haus geholt und gleich nach Bedlam geschafft. Weil sie nicht richtig im Kopf ist und ihr Kerzenfimmel das Haus in Brand gesteckt hat. So wurde es mir berichtet.« Poll lachte abfällig und klopfte Blueskin auf den verbrannten Unterarm. »Hast dich ganz umsonst ins Feuer geworfen, du Dummkopf!«
    »Hat auch sein Gutes«, antwortete er

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