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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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Gavin.«
    »Danke, Doktor«, antwortete Mr. Bramble.
    »Kann ich mit ihm sprechen?«, meldete sich die Fistelstimme aus dem Hintergrund. »Es ist wichtig.«
    »Heute nicht mehr, Jonathan«, antwortete der Doktor. Henry vermutete, dass es sich um Dr. Featherstone handelte, der vom Diebesfänger am heiligen Sonntag hergeholt worden war, und öffnete halb die Augen.
    »Da!«, rief Mr. Wild. »Er hat die Augen auf.«
    Ein Mann mit üppigem Vollbart und mächtiger Hakennase beugte sich über Henry und leuchtete mit einer Kerze in seine Augen. Er musste lange ohnmächtig gewesen sein, wenn es inzwischen so dunkel war, dass Kerzenlicht benötigt wurde. Dr. Featherstone bewegte die Kerze von links nach rechts, hielt sie nahe ans Gesicht und entfernte sie dann. Henry bemühte sich, nicht auf die Bewegungen der Kerze zu achten, sondern ungerührt und unfokussiert geradeaus ins Dunkel zu stieren. Deshalb nahm er die übrigen Anwesenden auch nur als dunkle Schemen wahr.
    »Er ist aus der Ohnmacht erwacht«, bestätigte Dr. Featherstone und stellte die Kerze beiseite. »Die Pupillen verengen sich. Aber er ist noch nicht wieder ansprechbar. Keinerlei weitere Reaktion. Geben wir ihm ein wenig Zeit. Um sein Leben müssen wir jedenfalls nicht mehr bangen.«
    »Ich bange nicht um sein Leben«, knurrte Mr. Wild.
    »Morgen früh bringen wir ihn wieder in den Anbau«, sagte Dr. Featherstone. »Dann kannst du ihn befragen, wenn du möchtest, Jonathan. Heute ist mit dem Mann nichts mehr anzufangen, das siehst du doch.«
    Henry glaubte ein abfälliges Schnaufen zu hören, das nicht von Mr. Wild stammte. Vermutlich ein Kommentar des eifrigen Mr. Bramble.
    »Lassen wir ihn in Ruhe zu sich kommen«, beendete Dr. Featherstone die folgende peinliche Stille. »Hier können wir im Moment nichts tun.« Und völlig unvermittelt fragte er: »Einen Sherry, Jonathan? Frisch aus Jerez.«
    »Sherry?«, fiepte Mr. Wild und zögerte einen Augenblick. »Da sag ich nicht Nein.«
    Henry hatte die ganze Zeit angestrengt zur Decke gestarrt und seinen Kopf nicht bewegt. Doch jetzt schloss er die Augen halb und ließ seinen Kopf zur Seite fallen, als wäre er wieder bewusstlos. Durch die halb geschlossenen Lider sah er den Mann mit dem Vollbart zum Wandregal gehen und ein Schubfach öffnen. Dann ging er zur Flügeltür, öffnete sie mit einem Schlüssel und machte eine einladende Handbewegung.
    Mr. Wild nahm die Kerze vom Tisch und betrat den Nachbarraum.
    »Du auch, Gavin«, sagte Dr. Featherstone lächelnd.
    »Sehr gern, Sir«, antwortete Mr. Bramble, neigte den Kopf und folgte Mr. Wild nach nebenan. Als Letzter betrat Dr. Featherstone das Zimmer, dann wurde die Tür von innen geschlossen.
    »Unsereins kriegt wieder nichts ab«, hörte Henry die Stimme des Lehrlings Duncan von der anderen Seite des Laboratoriums.
    »Wundert dich das?« Das war die Stimme von Hell and Fury.
    »Kommst du nachher rüber auf ein Spiel?« Das war der Wärter Bernie.
    »Ich glaub nicht, dass Mr. Wild mich lässt«, antwortete Hell and Fury. »Muss wohl die ganze Nacht Wache schieben.«
    »Dann kommen wir zu dir rüber«, schlug Bernie vor. »Bei uns ist eh nichts los. Das Weibsstück liegt die ganze Zeit auf dem Strohsack und rührt sich nicht. Außerdem schnarcht sie, dass die Wände wackeln.«
    »Muss ja keiner erfahren«, meinte Sykes.
    »Ich schweig stille«, lachte der Lehrling. »Wenn ihr mich einladet.«
    »Nur wenn du Geld dabeihast«, sagte Bernie. »Und nicht weinst, wenn wir es dir abnehmen.«
    »Abgemacht!«
    Es dauerte eine Weile, bis der Doktor, der Diebesfänger und der Wundarzt wieder im Laboratorium erschienen. Dr. Featherstone schloss die Tür zu, ging anschließend zum Wandregal, öffnete das kleine Schubfach und verstaute etwas darin. Dann führte er die anderen in den Vorraum, und sie verschwanden samt Kerzen aus Henrys Blickfeld.
    »Du bleibst vor der Tür, Sykes!«, befahl Mr. Wild. »Und rührst dich nicht von der Stelle. Verstanden? Nicht dass Macheath plötzlich von den Toten aufersteht.«
    »Ay, Sir!«
    »Was gibt’s denn da zu grinsen, Kerl?«, fauchte Mr. Wild.
    »Nichts, Sir«, antwortete Bernie kleinlaut. »Ich musste nur grad an was denken.«
    »Denken bekommt dir offensichtlich nicht«, schnauzte Mr. Wild.
    Dann wurde die Tür geschlossen, und ein Schlüssel drehte sich im Schloss.
    Henry atmete erleichtert auf und öffnete die Augen. Es war völlig dunkel im Raum. Da kein Mond am Himmel stand, fiel kaum Licht durch das Fenster.

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