Gegen alle Zeit
hatte, antworteten die beiden Künstler mit hartnäckigem Schweigen. Allerdings war es, den Gesichtern nach zu urteilen, kein ungläubiges, sondern ein betretenes Schweigen. Henry hatte den Eindruck, dass die beiden Männer manches aus seiner Erzählung bereits aus anderen Quellen oder eigener Anschauung kannten.
»Arme Mistress Lyon«, sagte Mr. Gay schließlich, dem das spöttische Grinsen aus dem Gesicht gefallen war und der sich inzwischen ebenfalls ein Glas gefüllt hatte. »Wie können wir Euch behilflich sein?«
»Ich will Bess befreien«, antwortete Henry. »Ich muss sie da rausholen.«
»Ihr wollt wieder nach Bedlam?«, wunderte sich Mr. Gay.
»Sollen wir etwa mit Euch dort einbrechen?«, empörte sich Maestro Pepusch. »Seid Ihr noch bei Trost, Sir?«
»Nichts dergleichen habe ich vor, und nichts dergleichen verlange ich von Euch«, erwiderte Henry und ließ sich von Mr. Gay nachschenken. »Ich will nicht nach Bedlam, sondern Bess dort herausbekommen. Und dafür brauche ich den Brief des Bischofs Atterbury. Jenen Brief, mit dem Albrecht Niemeyer den Diebesfänger erpresst hat. Und vor dem Mr. Wild solche Angst hat.«
»Was haben wir damit zu tun?«, fragte der Maestro, obwohl seinem Gesicht anzusehen war, dass er die Antwort darauf kannte.
»Wenn Ihr nichts damit zu tun habt, warum seid Ihr dann vor Mr. Wild getürmt?«
»Das seht Ihr doch«, antwortete der Kapellmeister und deutete auf seine bandagierte Nase.
»Was hat es mit diesem Brief auf sich?«, beharrte Henry, wandte sich dabei aber an Mr. Gay. »Ich nehme an, auch Ihr wart ein Teil der Atterbury-Verschwörung? Wie Euer Freund, Dr. Arbuthnot, und vermutlich weitere Tory-Schriftsteller, die der guten alten Stuart-Zeit nachweinen? War Mr. Pope auch beteiligt? Seitdem die Hannoveraner regieren, habt Ihr keine guten Karten am Hof, nicht wahr?«
Mr. Gay hob verwundert die Augenbrauen und kratzte sich den kahlen Schädel. »Ihr seid erstaunlich gut unterrichtet«, sagte er schließlich. »Aber ich muss Euch enttäuschen, Captain, ich war zwar im Groben auf dem Laufenden, aber nicht im Einzelnen eingeweiht. So weit ging meine Liebe zu den Stuarts dann doch nicht. Auch an dem besagten Treffen im Little Stanmore Inn habe ich nicht teilgenommen. Zum Glück, wie ich heute sagen darf.« Sein Blick ging zu Maestro Pepusch, der verlegen zu Boden schaute.
»Und Ihr, Sir?«, wandte Henry sich an den Kapellmeister.
Der Angesprochene schwieg beharrlich.
»Könnt Ihr mir sagen, wieso Matthew Lyon sterben musste?«, bohrte Henry weiter. »Warum man den Küster ermordet hat?«
»Was taucht der Kerl auch plötzlich in der Schänke auf und bringt alles durcheinander?«, platzte es aus dem Maestro heraus. »Damit konnte doch nun wirklich keiner rechnen, dass er den Bischof kennt und den Herzog sowieso. Und all die anderen, die anwesend waren. Der Mann war nicht dumm, und deshalb …«
»Deshalb war er eine Gefahr?«
»Damals dachten wir so«, gab Maestro Pepusch zu und starrte weiterhin zu Boden, als würde sein Blick wie von einem Magneten angezogen. »Der Bischof dachte so. Der Herzog ebenfalls. Es stand einfach zu viel auf dem Spiel. Damals konnte ja keiner ahnen, was noch geschehen und dass sich die ganze Geschichte wie ein Spuk auflösen würde. Wir dachten, wir würden alle am Galgen landen, wenn der Mann den Mund aufmacht.«
»Wer hat ihn umgebracht?«
»Der Verantwortliche«, erwiderte der Kapellmeister leise.
Henry begriff zunächst nicht, was damit gemeint war, doch dann sagte er: »Albrecht Niemeyer hat durch seine Liebschaft mit Mistress Lyon den Küster ins Inn gelockt, also musste er ihn aus dem Weg schaffen? Er hat Matthew erschossen und dem Toten die Waffe in die Hand gedrückt.«
Maestro Pepusch nickte.
»Und anschließend ist er nach Frankreich geflohen?«
»Nicht sofort. Erst nachdem er seine Aussage vor dem Coroner gemacht und sich um seine vorlaute Geliebte gekümmert hatte. Die hatte ja überall herumkrakeelt, dass ihr Mann ermordet worden sei.«
»Er hat sie bei Mutter Needham abgegeben und Bess damit zum Schweigen gebracht«, sagte Henry und nickte verstehend. »Wann ist Mr. Niemeyer aus Frankreich zurückgekehrt?«
»Erst vor einigen Wochen«, antwortete der Kapellmeister.
Kein Wunder, dass Bess ihn die ganze Zeit vergeblich gesucht hatte, dachte Henry und sagte laut: »Er wäre besser in Frankreich geblieben.«
»Mr. Niemeyer war ein Dummkopf«, sagte Mr. Gay kopfschüttelnd. »Ich weiß, dass man über Tote
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