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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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Silber. Ich lass mich nicht noch mal übern Tisch ziehen.«
    Henry kramte in seiner Hosentasche und holte eine der Münzen heraus, die Mr. Gay ihm gegeben hatte. Darauf waren eine Drei mit einer Krone darüber und die Jahreszahl 1723 zu sehen. Er fragte: »Wie wär’s mit Threepence?«
    Rodney hielt seine offene Hand hin und fragte grinsend: »Wen soll ich kaltmachen, Captain?«
    »Blueskin!«
    »Wen?«
    Doch Henry hatte gar nicht mit dem Jungen geredet, sondern einen erstaunten Ruf ausgestoßen. Denn aus einer Seitengasse der Drury Lane war er plötzlich aufgetaucht und nur wenige Augenblicke später in einer Häuserlücke auf der anderen Straßenseite verschwunden. Obwohl er einen Schlapphut tief in die Stirn gezogen hatte, hatte Henry ihn sofort erkannt: Blueskin! Seine dunkle Haut war unverkennbar. Er lebte also noch und war nicht in der Dirty Lane verbrannt. Henry musste an den nächtlichen Schrei in Bedlam denken: »Du lügst, du dreckige Hure!« Henry hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte, aber er wusste nun, dass es tatsächlich Blueskin gewesen war, den er in Dr. Featherstones Laboratorium gehört hatte. Der Schrei eines Toten.
    »Was habt Ihr gesagt, Captain?«
    Henry schüttelte heftig seinen Kopf, als müsste er sich erst wachrütteln, dann wandte er sich dem Jungen zu und sagte: »Nichts, Rodney. Gar nichts!« Wieder ging sein Blick zu der Häuserlücke, doch von Blueskin war nichts mehr zu sehen.
    »Also, was soll ich machen?«, fragte der Junge.
    »Kennst du Mr. Wilds Haus in der Cock Lane?«
    »Ay.«
    »Ich möchte, dass du Mr. Wild eine Nachricht überbringst. Wenn er nicht in der Cock Lane ist, versuch es in seinem Büro in Old Bailey.«
    Wieder hielt Rodney die Hand auf und sagte: »Her mit dem Wisch.«
    »Kein Wisch. Du sollst ihm etwas mündlich ausrichten. Und nur ihm persönlich.«
    »Ich höre.«
    »Sag ihm, Captain Macheath hat den Brief und will ihn gegen Bess tauschen. Heute um Mitternacht, nein, besser morgen Nacht.« Henry war noch zu schwach auf den Beinen und völlig übermüdet, außerdem taten ihm die Knochen weh. Erst wollte er ein wenig zu Kräften kommen und sich ordentlich auf das Treffen mit dem Diebesfänger vorbereiten. Um nicht in eine Falle zu tappen oder durch eine Unachtsamkeit alles zunichte zu machen. »Sag Mr. Wild, er soll allein kommen. Nur Bess darf ihn begleiten, sonst wird der Brief den Leuten des Bischofs übergeben.«
    »Und wohin soll Mr. Wild kommen?«, fragte der Junge.
    Die Antwort auf diese Frage hatte sich Henry bereits sorgsam überlegt. Im Postman’s Park, gegenüber vom White Horse House, hatte alles angefangen, hier hatte er Sean Leigh im Beisein von Sarah niedergeschlagen. An gleicher Stelle würde folgerichtig alles ein Ende finden – auch wenn es den Postman’s Park und das »White Horse House« natürlich noch gar nicht gab. Deshalb sagte Henry: »In Little Britain. Auf dem Friedhof von St. Botolph.«
    »Um Mitternacht auf dem Friedhof?«, wunderte sich Rodney. »Da würden mich keine zehn Pferde hinbekommen.«
    »Hast du dir gemerkt, was ich gesagt habe?«
    »Ihr habt den Brief und wollt ihn gegen eine Bess tauschen. Morgen um Mitternacht auf dem Friedhof in Little Britain. Nur Mr. Wild und diese Bess. Sonst geht der Brief zum Bischof.« Wieder ging Rodneys Hand auf. »Macht Threepence.«
    Henry zögerte, dem Jungen das Geld im Vorhinein zu geben, doch sich anschließend noch einmal mit ihm zu treffen, wäre viel zu gefährlich gewesen. Es war anzunehmen, dass Mr. Wild den Jungen nach der Überbringung der Nachricht verfolgen ließ. Also fragte Henry: »Kann ich mich auf dich verlassen?«
    »Jacks Freunde sind meine Freunde«, sagte Rodney wichtigtuerisch und nickte.
    Henry drückte ihm die Münze in die Hand und befahl: »Ab mit dir!«
    »Ay, Sir!«, sagte der Junge und sprang auf die Beine.
    »Eins noch!«, rief Henry ihm nach. »Bernie soll den Ring rausrücken, den er mir gestohlen hat. Sag das Mr. Wild!«
    Rodney zog die Stirn kraus, nickte verständnislos, rannte davon und war nach wenigen Sekunden hinter einer Häuserecke verschwunden.
    Henry blieb noch eine Weile im Rinnstein sitzen, erhob sich schließlich schwerfällig und musste gegen einen Schwindel ankämpfen. Der Boden schwankte unter seinen Füßen, als befände er sich auf hoher See.
    Verdammter Aderlass, verdammte Müdigkeit!
    Als ihm das Blut wieder in den Kopf gestiegen und das Flimmern vor seinen Augen verschwunden war, überquerte er die Gasse und blieb

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