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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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fast grenzenloser Anbetung. Eine beängstigende Kombination.
    Gleichzeitig freute sich Bess, dass Henry und Blueskin immer noch auf freiem Fuß waren. Womöglich waren sie es ja gewesen, die Jack zur Strecke gebracht hatten. Dazu hätte auch gepasst, dass niemand die Belohnung eingestrichen hatte. Denn die beiden hätten sich damit selbst ans Messer geliefert. Die Frage war nur, wer die nächtliche Frau gewesen war.
    Der Gedanke an Henry Ingram beglückte und verwirrte Bess. Ihr Herz pochte wie wild, und zugleich schalt sie sich für die kindischen und albernen Gefühle, die sie doch seit Langem überwunden geglaubt hatte und dennoch nicht unterdrücken konnte. Als Henry hilflos und fiebernd in ihren Armen gelegen hatte, hatte sie sich eingestanden, wogegen sie sich zuvor so vehement gewehrt hatte. Sie war ihrem eigenen Schwur untreu geworden und hatte es zugelassen, dass ein Mann ihr etwas bedeutete. Sehr viel bedeutete. Und das, obwohl sie nach wie vor überzeugt war, dass Henry ein doppeltes Spiel spielte, dass er etwas vor ihr und aller Welt verbarg, dass er nicht der war, der zu sein er vorgab. Und damit meinte sie nicht den Unfug, den er während seines Fieberwahns fabuliert hatte.
    Bess musste es sich eingestehen. Sie liebte Henry. Wider besseres Wissen und ohne ihn wirklich zu kennen. Ein fahrlässiger und unbegreiflicher Fehler. Eine unverzeihliche Schwäche. Gegen die sie dennoch kein Mittel wusste.
    Damals bei Albrecht war es die Dummheit und Naivität eines jungen Mädchens gewesen. Sie hatte keine Ahnung gehabt und sich auf ein Spiel eingelassen, dessen Regeln sie nicht verstand und dessen Folgen sie nicht absehen konnte. Und sie war aus einem schönen Traum aufgewacht und bitter dafür bestraft worden. Bei Henry konnte sie diese Entschuldigung nicht geltend machen, sie hatte gewusst, worauf sie sich eingelassen hatte und was sich daraus ergeben würde. Trotzdem hatte sie es nicht abwenden können. Nichts hatte sie aus ihren Fehlern gelernt, wieder hatte ihr Herz ihr Hirn aussetzen lassen. Und wie beim ersten Mal würde sie nun dafür büßen. Ja, Seamus hatte recht: Es ging ihr an den Kragen, und der Gedanke an Henry machte das sogar noch schlimmer.
    Der Rest des Tages verging, ohne dass irgendetwas Besonderes geschah oder Neuigkeiten an ihr Ohr drangen. Sie starrte zur Decke, hörte Seamus im Vorraum schnarchen und hatte das Gefühl, man hätte sie einfach vergessen. Niemand sprach mit ihr, keine Menschenseele interessierte sich für sie. Wenigstens gaben sie ihr seit gestern statt Wasser und Brot wieder normales Essen, auch wenn der Eintopf an vergorenen Schweinefraß erinnerte und das Dünnbier wie Pisse schmeckte.
    Gegen Abend erschien schließlich der Wärter Bernie, um seinen Kollegen abzulösen. Aus irgendeinem Grund war er fürchterlich schlecht gelaunt und schimpfte wie ein Rohrspatz auf Henry, Mr. Wild, Bess und sogar auf Seamus, der lediglich angemerkt hatte, er solle sich nicht aufführen, als hätte man ihm in die Tasche gegriffen.
    »Was weißt denn du?«, schnauzte Bernie und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wie ein Strauchdieb wird man behandelt. Nur weil man seine Pflicht tut und sich an die Befehle hält. Schließlich sollten wir sie doch durchsuchen und alle Wertsachen an uns nehmen! Und jetzt tun sie so, als wär man ein Verbrecher!«
    »Wovon redest du?«, fragte Seamus.
    »Nichts!«, knurrte Bernie. »Jedenfalls bin ich froh, wenn das Weibsbild heute Nacht weg ist und wir wieder unsere Ruhe haben. Die verdammte Hure geht mir auf den Geist.«
    »Was heißt das?«, fragte Bess erschrocken.
    »Dass Mr. Wild dich nachher abholen lässt und wir die Zelle aufräumen sollen. Deine Wenigkeit wird offensichtlich nicht mehr gebraucht.« Bernie trat ans Gitter und setzte gehässig hinzu: »Bist du gar nicht froh, aus Bedlam rauszukommen? Musstest nicht mal die üblichen zwölf Monate absitzen!«
    »Wo bringt er mich hin?«
    »Wer weiß?« Bernie zuckte mit den Schultern und schnaufte abfällig. »Kann dir auch egal sein, für dich gibt’s eh keinen Weg zurück.« Er strich sich mit dem Zeigefinger über die Gurgel und lachte.
    Bess versuchte, mehr über Jacks Verhaftung oder den flüchtigen Henry zu erfahren, doch Bernie ließ sich kein weiteres Wort entlocken. Er streckte genüsslich die Beine auf dem Tisch aus, legte sich den blauen Uniformrock als Decke über den Bauch und schob sich den Dreispitz über die Augen. Und Bess blieb nichts anderes übrig, als der Dinge zu harren.
    Es

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