Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
Vom Netzwerk:
im Stall des Inns das Leben genommen.
    Der Coroner bezweifelte die Aussage des Musikers in keiner Weise, fand sie durch die auffallenden Pulverspuren und den Bericht des Wirtes bestätigt und stellte abschließend als Todesursache »Selbsttötung mittels einer Handfeuerwaffe« fest. Wie gemunkelt wurde, hatte der Herzog von Chandos beim Coroner auf dieses Urteil gedrängt und dem Beamten bei entsprechendem Befund eine Belohnung für seine Bemühungen in Aussicht gestellt. Vermutlich aus der Angst heraus, der Verlust des Oboisten könnte seiner Kapelle erheblichen Schaden verursachen, hatte der Herzog vor Gericht seine Macht genutzt. Mit gewünschtem Erfolg.
    Warum Mr. Niemeyer eine geladene Pistole in seinem Zimmer hatte und weshalb er nach der Flucht des angeblichen Angreifers und dem Diebstahl der Pistole keine Hilfe geholt hatte, wurde nie geklärt und schien nicht von Interesse zu sein. Auch wunderte es niemanden, dass so viel Pulver an Matthews Händen war, obwohl er die Waffe doch gar nicht selbst geladen hatte.
    Elizabeth glaubte Albrecht kein Wort, doch als sie ihn darauf ansprach, hielt er es nicht für nötig, sich weitergehend zu erklären. Albrecht behandelte sie wie eine Fremde und ließ sie spüren, dass er für sie keine weitere Verwendung hatte. Sie hätten ihren Spaß gehabt, doch das sei nun vorbei, und sie solle sich einen anderen Dummen suchen, dem sie die Unschuld vom Lande vorspielen könne. Der Fall Matthew Lyon wurde zu den Akten gelegt und der gottesfürchtige Küster auf dem Schandanger von St. Lawrence ohne christlichen Beistand begraben. Neben Gottlosen und anderen Selbstmördern.
    Da während der Untersuchung das Motiv für die vermeintliche Selbsttötung von wesentlichem Belang war und Mr. Niemeyer vor dem Coroner in dieser Hinsicht kein Blatt vor den Mund nahm, wurden Elizabeths Untreue und lasterhaftes Gebaren ruchbar, und sie wurde fortan in Cannons und Edgworth wie eine Aussätzige behandelt. Die Leute spuckten vor ihr aus und wechselten die Straßenseite, wenn sie ihnen entgegenkam. Kinder warfen mit Steinen nach ihr, und selbst Mr. Pope, dem sie einmal auf dem Weg nach Edgworth begegnete, blickte mit hochrotem Kopf zu Boden und tat so, als hätte er sie nicht gesehen.
    Die Anstellung als Dienstmagd wurde ihr gekündigt, Matthews Eltern vertrieben sie aus dem Cottage, und selbst die eigenen Eltern wandten sich von ihr ab und schlugen ihr die Tür vor der Nase zu. Elizabeth flüchtete sich ins Armenhaus, betäubte ihren Schmerz und ihren Selbsthass mit Gin, der hier, wie überall im Land, billig zu haben war, und dachte bereits daran, sich das Leben zu nehmen. Gleichzeitig jedoch erzählte sie jedem, der es hören wollte, dass ihr Mann umgebracht worden sei und sie sich dafür rächen werde. Wodurch sie sich nur umso mehr zum Gespött der Leute machte.
    Eines Tages jedoch, es war inzwischen bald Weihnachten, stand ein fremder Mann vor der Tür des Armenhauses und bot ihr an, sie nach London zu bringen. Einflussreiche Freunde von Mr. Niemeyer hätten alles in die Wege geleitet. Der junge Musiker werde sie leider nicht selbst begleiten können, doch eine gewisse Mutter Needham warte bereits in Covent Garden auf sie und werde sie unter ihre schützenden Fittiche nehmen.
    Elizabeth wunderte sich über den plötzlichen Sinneswandel ihres ehemaligen Geliebten und ahnte, dass diese Wendung nicht so selbstlos war, wie es den Anschein hatte. An eine milde Gabe zu Weihnachten glaubte sie nicht, eher schien es ihr, dass Albrecht sie aus dem Weg haben wollte, um ihre Anschuldigungen nicht länger vernehmen zu müssen. Doch ihr blieb keine Wahl, und so fügte sie sich in ihr Schicksal. Was hatte sie schon zu verlieren? Ihr elendes Leben im Armenhaus? Ihre Unschuld? Ihren guten Ruf? Zum Teufel damit! Sie willigte ein und wurde in das Bordell in der Maiden Lane gebracht – aus der jungen Witwe Elizabeth Lyon wurde die Hure Edgworth Bess.
    Albrecht Niemeyer aber sah sie nie wieder. Er verschwand spurlos.

8

    Noch bevor sie das Olde Cheshire Cheese erreicht hatte, spürte Bess, dass sie verfolgt wurde. Es war nur ein unbestimmtes Gefühl, und jedes Mal, wenn sie sich umwandte, konnte sie nichts Auffälliges in dem dichten Getümmel auf der Straße entdecken, doch sie war sich sicher, dass ihr seit der Temple Bar jemand folgte. Wie ein Schatten, der sich nicht fassen ließ.
    Das Wirtshaus befand sich schräg gegenüber der Kirche von St. Bride und wirkte von außen unscheinbar und

Weitere Kostenlose Bücher